Das Duell der deutschen Herren-Nationalmannschaft mit der Auswahl Frankreichs steht offensichtlich unter keinem guten Stern. Teamchef Arriens muss und will an diesem Wochenende auf die Top-Spieler, die dem DTB laut Weltrangliste zur Verfügung stehen, verzichten. Haas, Kohlschreiber, Mayer und Brands fehlen, das Aufgebot besteht aus dem Nachwuchs aus der „zweiten Reihe“. Kamke, Struff, Gojowczyk und Begemann sollen (und müssen) es richten.
Eine Katastrophe für das deutsche Tennis? Eine Blamage, sollte diese unerfahrene Truppe sich gegen Frankreich nicht behaupten können und den Halbfinaleinzug verpassen? Eine verpasste Chance im Davis Cup?
Oder ist nicht gerade dies genau der richtige Zeitpunkt, um aus der Not eine Tugend zu machen und einen überfälligen Cut im Team durchzuführen, der einen Wandel in der Mannschaft und im deutschen Verständnis vom Profi-Tennis herbeiführen kann?
Was passiert schlimmstenfalls, wenn Deutschland das Halbfinale durch eine Niederlage verpasst? Die Mannschaft hat Erfahrungen gegen eine Spitzenmannschaft gesammelt und kann im nächsten Jahr einen neuen Versuch unternehmen, in der Gruppe der Top-Nationen um den Cup und um neues Prestige zu kämpfen. Der Titel in diesem Jahr wäre auch mit den „Dauerverletzten“ kein realistisches Ziel gewesen.
Vielmehr ist dieser neue Weg, den Arriens und der DTB jetzt eingeschlagen haben, eine riesige Chance das Herrentennis in Deutschland neu zu beleben und das Bild in der Öffentlichkeit langfristig zu verbessern. Die ewigen, mitunter auch ermüdenden Streitereien mit den „Senioren“ blieben aus, das ramponierte Image wird nicht weiter belastet. Ein paar negative Schlagzeilen weniger, ausgelöst durch die gleichen Protagonisten, würden dem DTB Aktionen wie den „Versöhnungstag“ ersparen und Geld für nachhaltigere Projekte freimachen.
Arriens nutzt den jetzigen Zeitpunkt, um das Team ohne Reputationsverlust neu zu formieren. Weder die ausgemusterten Spieler, die aufgrund ihres Alters aus dem Team scheiden, noch der Captain selber, der sich nicht auf die vergangenen Geschehnisse beziehen muss, „verlieren ihr Gesicht.“
Auch wenn sich fließende Übergänge mit erfahrenen und jungen Spielern sich teils in der Vergangenheit bewährt hatten, ist dieser neue Schritt absolut nachzuvollziehen.
Arriens hat jetzt die Aufgabe aus den „Neulingen“ eine Einheit zu formen und diese geschlossen unter dem Dach des DTB erfolgreich weiter zu entwickeln. Beispiele, wie dies von statten gehen kann, gibt es viele: B. Rittner macht es mit dem Fed Cup Team vor, die Franzosen laden für den verletzten Gasquet gleich zwei Spieler dazu ein, dieses Erlebnis mit der Mannschaft zu teilen. Und auch in der Vergangenheit konnten Frankreich und Australien mit vorbereitenden Trainingslagern, an denen nicht nur die nominierten Kaderspieler teilnahmen, Signale setzen und das Verbandsteam zusammenschweißen. Das ist vorbildliche Führung der Funktionäre und unterstützt den Gedanken des Sports. Gerade die Junioren könnten viel lernen, wenn sie bei diesen Events dabei wären.
Ein neues Gefühl der Gemeinschaft und der Verantwortung ist unabdingbar. Früher war es eine Ehre für das Davis Cup Team, seinen Verband und sein Land zu spielen – so wie es heute in vielen anderen Nationen noch der Fall ist.
Bedenkt man, dass alle Profis von ihren ersten Schritten und Schlägen an von der Tennislandschaft in Deutschland profitiert haben, sind ein paar (doch wohl immer noch gut dotierte?) Tage Arbeit im Jahr wirklich nicht zu viel verlangt. Auch unter Berücksichtigung des kapitalistischen Zeitgeistes und dem legitimen finanziellen Interesse der Spieler, bleiben sie dennoch Sportler und Repräsentanten ihrer Nation. Sport, da wiederholen wir uns gerne, besitzt eine starke emotionale Komponente. Ohne emotionalen Einsatz und Identifikation mit der gemeinsamen Aufgabe von Seiten der Spieler und der Coaches, hätte unser deutsches Tennis als Teil dieses gesellschaftlichen Phänomens keine aussichtsreiche Zukunft.
Wir würden es begrüßen, wenn sich der DTB hinter seinen Teamchef stellt, seine Entscheidungen akzeptiert und ihn bei seinen kommenden Aufgaben unterstützt. Im Sinne des Aufschwungs des Tennissports in Deutschland.
Es gibt kritische Stimmen (auch bei uns!), die darauf hinweisen, dass die Entscheidung für den Nachwuchs und der Verzicht auf egoistische Pseudo-Stars im deutschen Tennis zwar richtungsweisend sei, dass aber die Qualität der neuen Davis-Cup-Generation keineswegs internationalen Standards standhält. Dieser Qualitätsmangel wird voraussichtlich auch in den nächsten Jahren sich nicht entscheidend verbessern. Da macht uns gegenwärtig aber ein Spieler Hoffnung:
der junge Sascha Zverev.
Warum ist der nicht in Nancy dabei?