“Wegweisende Australian Open 2014?”

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Das erste Grand Slam- Turnier im Jahre 2014 verlief ungewöhnlich turbulent und wirbelte die etablierten Strukturen in der Weltspitze erst einmal gehörig durcheinander. Weiterhin ist das hohe Tempo der Schläge der Topprofis sowohl der Damen wie auch der Herren beeindruckend. Man sollte sich von den hohen Geschwindigkeiten aber nicht täuschen lassen: Die „heavy  Hitter“, die auf jeden Ball besinnungslos von der Grundlinie draufknallen, sind spätestens ab den Achtelfinals der großen Turnier „Schnee von gestern“ und haben längst ihre erfolgreicheren Widersacher gefunden. Spielkontrolle ist gegenwärtig der Schlüssel für den Erfolg. Dazu bedarf es des Allroundspielers. Diese Spitzenkönner sind in der Lage, situationsadäquat das Tempo aus dem Spiel nehmen, können jederzeit auch aggressiv das Spielgeschehen dominieren, setzen bei Gelegenheit einen gefühlvollen Stopp ein, wissen auch mit einem Lob zu punkten und bereiten die Netzangriffe mit präzisen Schlägen vor. Prototypen dieser variablen, alle Schläge beherrschenden Spielweise waren bei den Australian Open 2014 Agnieszka Radwanska bei den Damen, Nadal, Djokovic und Tsonga bei den Herren – fast hätten wir Florian Mayer vergessen, der hauptsächlich aufgrund seiner raffinierten und vielseitigen Spielweise in Melbourne überzeugen konnte. Bei Wawrinka, Djokovic und auch Federer waren Spielzüge beim ersten Grand Slam 2014 zu beobachten, die schachspielartigen Planungen entsprachen.

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In aller Bescheidenheit empfehlen wir den Ausbildern im deutschen Tennis, diese Tendenz in ihrer perspektivischen Bedeutung jetzt fokussierter zu beachten und in der Ausbildung umzusetzen. Es wäre zukunftsweisend, die Vielseitigkeit als eine zentrale Kategorie in den Trainingseinheiten schon bei den Kindern zu integrieren, aber auch bei den athletisch stärkeren Jugendlichen niemals außer Acht zu lassen!

Aufgrund dieser gegenwärtigen Allround-Anforderungen kommt dem Volley im Spitzentennis wieder eine größere Bedeutung zu. War es vor Jahrzehnten allein Martina Navratilova, die durch ihr ausgezeichnetes Volleyspiel sich von ihrer Konkurrenz bei den Damen erfolgreich unterschied, so können die Topspielerinnen in der Damen-Weltklasse alle jetzt einen vernünftigen Volley spielen. Herausragend in diesem Aspekt ist Ana Ivanovic. Aufgrund ihrer mutigen Netzangriffe und der präzisen und gefühlvollen Volley konnte sie die hohe Favoritin Seren Williams bezwingen. Bei den Herren war das gepflegte Volleyspiel auch vorher eine Selbstverständlichkeit, aber das Flugballkönnen hat sich sogar weiter entwickelt. Die viel zitierte „Renaissance“ Federers hängt unseres Erachtens auch mit seinen außerordentlich effektiven Volleys bei seinen Auftritten in Down Under zusammen. Waren da die Früchte der neuen Zusammenarbeit mit dem ehemaligen „Volleypabst“ Stefan Edberg zu erkennen? Deutlich war auch zu beobachten, dass Nadal an den Flugbällen erfolgreich im Training gearbeitet hatte.

In vielen Trainingsstunden in den nationalen Tennisvereinen fristet gegenwärtig das Flugball-Training das Dasein eines „Mauerblümchens“. Das sollte unbedingt geändert werden!

Von großer Bedeutung im heutigen Spitzentennis ist eine psychologische Kompetenz, die wir in vergangenen Texten fast penetrant diskutiert hatten: die Resilienz. Der Champion dieses Turniers, Stanislas Wawrinka, hatte schwere Zeiten hinter sich. Ehe-, Familien- und Geldprobleme. Er war verzweifelt, kurz vor dem Aufgeben seiner Tenniskarriere. Zum Glück fand er in Magnus Norman eine Bezugsperson, die ihn verantwortlich und verständig beraten konnte. Schon im Jahre 2013 waren die privaten Probleme aus der Welt geschafft. Die voraus gegangenen Leiden hatten „Stan the Man“ gestählt und der Schweizer hatte Ende letzten Jahres schon einen beachtenswerten Formanstieg demonstriert. In Down Under trat er noch unerschütterlicher auf. Auch in Spielen, in denen er mit seiner Leistung nicht zufrieden sein konnte, agierte er nie verzweifelt und zog er die Schlinge immer noch aus dem Hals. Resultat: er gewann in Melbourne jetzt seinen ersten Grand Slam. Die Leiden haben sich zumindest finanziell gelohnt.

Diese enorme Widerstandskraft ist eine charakteristischer psychologische Stärke aller Spieler der Weltspitze. Auch Murray, gab bei seiner Niederlage gegen Federer nie auf. Als der Schweizer seine erste Schwächeperiode hatte, nutzte der Brite in scheinbar hoffnungsloser Lage sofort die Chance, spielte plötzlich auf höchstem Niveau und stahl Federer noch den dritten Satz. Das absolute Vorbild für Resilienz ist Rafael Nadal. Er spielte sich Runde für Runde mit einer Handverletzung in das Endspiel, mit der unsere jungen deutschen Tennistalente für 14 Tage den Schläger in die Ecke gestellt hätten. Die Rückenverletzung war dann auch für Rafa zu viel…

Vergleichbar mit Nadal in „Sachen Resilienz“ ist bei den Damen die kleine Dominika Cibulkova. In ihrer slowakischen Heimat – auch als sie Landesmeisterin U12 und U14 geworden war- wurde sie von allen ihren Trainern noch „kleiner geredet“. Ihr wurde immer wieder erklärt, dass sie aufgrund ihrer mangelnden Größe nie auf der internationalen Damentour eine Chance haben würde. Sie sollte besser ihre Bemühungen im Tennis aufgeben und sich auf eine sinnvollere Beschäftigung konzentrieren. Nur ihre Eltern unterstützten sie in ihren Tennisambitionen weiter. Trotz aller Niederschläge – oder gerade aufgrund dieser engstirnigen und arroganten Unterschätzung unverantwortlicher Trainer – hat sie jetzt als Finalistin eines Grand Slams den größten Erfolg ihrer Tenniskarriere gefeiert. Schnell hatte der „Duracell-Hase“ nach der Niederlage im Finale seine Freude wiedergefunden. Dominika strahlte und war stolz, es ihren Kritikern gezeigt zu haben.

Der Spaß kann und soll nicht im Tennis-Training verloren gehen – aber wir sollten immer auch Übungen einbauen, die Widerstandskraft bei unseren Schützlingen herausfordern. Dann haben wir bald auch wieder nationale „Duracell-Hasen“ oder „Stan the Man“-Typen in der Tennisweltspitze. Sascha Zverev hat ja schon den Weg gewiesen.

Ein letzter Ausblick sei uns zum Ende des Textes noch gestattet: In allen Lebensläufen, in denen junge Menschen sich aus den bedrückendsten Umständen erfolgreich herausgearbeitet haben, spielte eine vertrauenswürdige Bezugsperson eine große Rolle. Sollten wir diese soziologisch-psychologische Erkenntnis nicht auch als Hinweise für die Rolle des Tennis-Trainers in der Zukunft nutzen? Wenn wir als Tennislehrer unseren Schützlingen zum Erfolg verhelfen wollen, ist es wohl wichtig, sich verstärkt um ihre alltäglichen Sorgen und Probleme zu kümmern. Der Tennistrainer wird dabei zum vertrauenswürdig beratenden Coach. Das kostet mehr Zeit, das kostet unter Umständen viele weitere Mühen und da trägt man viel Verantwortung. Aber ist der potentielle Erfolg der Jugendlichen das nicht wert?

Als Abschluss der Australian Open 2014 haben wir noch einen bemerkenswerten Ballwechsel für euch ausgesucht:

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