Stanislas Wawrinka ist spätestens seit seinem Grand Slam Sieg in Melbourne weltweit in aller Munde. Zahlreiche Artikel und Geschichten sind jetzt über ihn geschrieben worden. Wir werden in unserem Blog-Porträt bemüht sein, über die Darstellung der wichtigsten Stationen seiner Karriere hinaus, noch weitere Einblicke in das Leben des Tennisstar aus der Schweiz zu geben.
Stanislas wurde in Lausanne am 28.März 1985 geboren. Sein Vater Wolfram ist deutscher Abstammung, seine Mutter Isabelle Schweizerin. Der Australian Open 2014-Sieger hat deshalb zwei Staatsbürgerschaften: die Schweizer – und die deutsche!
Als Kind wuchs Stan mit seinen drei Geschwistern auf dem Bauernhof seiner Familie im Kanton Waadt auf. Diesem Bauernhof war ein Behindertenheim angeschlossen, in dem seine Eltern arbeiteten. Freunde aus dem französischen Elsass, die zu Besuch bei den Wawrinkas waren, nahmen ihn und seinen Bruder Jonathan mit auf den nächstgelegenen Tennisplatz und entfachten damit seine Leidenschaft für den weißen Sport. Einer der französischen Bekannten, Dimitri Zavialoff, war dann auch über ein Jahrzehnt hinweg der Tennistrainer und Freund Wawrinkas. Früh wurde Stans Talent deutlich, er gehörte bald zum Jugendkader der Schweiz und gewann Landesmeistertitel in den unteren Altersklassen. Den Trainern fiel er nicht durch die Kunst seiner Schläge, sondern durch die Einfachheit auf: er beherrschte Vorhand, Rückhand und Service, spielte kaum Volleys und so gut wie nie Stopps oder kurze Winkelschläge. Für fast ein ganzes Jahr ging er dann nach Spanien, trainierte in einer Akademie und kam mit härteren und fehlerlosen Grundschlägen zurück. Vielleicht auch weil er zusätzlich in der Pubertätsphase gewachsen und sehr kräftig geworden war, dominierte er bei seiner Rückkehr die eidgenössischen Konkurrenten. Viele junge Schweizer Talente taten es ihm deshalb nach und gingen zur weiteren Tennisausbildung nach Spanien – ohne vergleichbaren Erfolg.
Mit 16 Jahren erreichte er das Semifinale der Europäischen Jugendmeisterschaften, in dem er dann Jo Wilfried Tsonga unterlag. Anders als seine extrovertierten Landsmänner Federer oder Rosset trat der junge Wawrinka eher bescheiden und sogar etwas verschlossen auf. Der zurückhaltende Junge vom Lande brauchte bei seinen Ausflügen zu den nationalen und internationalen Turnieren von Anfang an eine vertrauenswürdige Bezugsperson, um seine Fähigkeiten voll ausspielen zu können. Mit seinem „Buddy“ Dimitri, der inzwischen seine Tennislehrerlizenz erworben hatte, fand er den kongenialen Partner, Begleiter, Trainer und Tourcoach. Schweizer Tennisinsider aus der Umgebung Lausannes und Genfs erzählten uns, dass diese Partnerschaft auch heute noch hält und dass der Elsässer Dimitri auch in Melbourne bei den Spielen Stans in der Player’s Box Platz genommen hatte. Ein Zeichen für die bodenständige Treue Wawrinkas.
2002 wagte „Iron Stan“ den Sprung in das Profitennis und startete in der ITF-Future-Serie, wo er 2003 in Cartagena das erste Finale erreichte. Unterstützt von Wildcards trat er dann auch bei Challenger-Turnieren und sogar auf der World Tour an, verlor aber alle drei Matches in der hochklassigen Turnierserie in der ersten Runde. Erstes internationales Aufsehen errang er dann im Jahr 2003 durch seinen Sieg bei dem Juniorenwettbewerb der French Open in Paris.
Obwohl Wawrinka schon 2003 auf Position 171 der ATP-Weltrangliste stand, musste er sich für den endgültigen Durchbruch noch gedulden. Ende 2004 hatte er alle seine neun Matches nacheinander auf der World Tour in der ersten Runde verloren.
Der junge Schweizer ließ sich nicht unterkriegen. Von Jahr zu Jahr stieg er ab 2005 in der Weltrangliste und auch kurze Niederlagenserien warfen ihn nicht zurück. Erster Schritt 2005: Rang 55 der ATP-Weltrangliste. Nächster Schritt 2006: Position 53 der Herrenweltrangliste. 2007 rangierte er dann auf Platz 30. Den Durchbruch unter die Top Ten des ATP-Circuits schaffte er dann Ende 2008. Etwas mehr aus dem übermächtigen Schatten Roger Federers trat er in seinem Heimatland Schweiz, als er bei Olympia in Peking im gleichen Jahr an der Seite der Tennislegende Federer die Goldmedaille gewann.
Im nächsten Jahr fiel er auf Platz 21 der ATP-Weltrangliste zurück, verpflichtete den Schweden Peter Lundgren im August 2010 als neuen Trainer und trennte sich nach mäßigem Erfolg in dieser Zusammenarbeit schon im September 2011 wieder von ihm. In dieser Zeit wirkte auch eine private Krise, die im Januar 2011 zur Trennung von seiner Frau Ilham, mit der er seit 2010 die gemeinsame Tochter Alexia hatte, führte.
Die privaten Probleme warfen den bodenständigen Stan aus der Bahn und auch sein weiteres Vorankommen im Profitennis litt unter diesen Unruhen in seiner persönlichen Umgebung. Ein Grund für die positive Wende hing sicherlich damit zusammen, dass er sich wieder mit seiner Frau zusammenfand und Stanislas in seinem Familienleben wieder Ruhe fand. Sein Schlägerhersteller YONEX glaubt einen anderen wichtigen Grund des Wiederaufstiegs darin zu sehen, dass er mit dem Wechsel zum VCORE Tour 97 jetzt die richtige Waffe besitzt. Eine wichtige Rolle spielte auf jeden Fall die Neuverpflichtung von Magnus Norman als Coach und Trainer. Seit Beginn dieser Zusammenarbeit trainiert Wawrinka noch härter, noch intensiver, noch umfassender, noch zielgerichteter. Volley, Service und Athletik sind seitdem stark verbessert. Vielleicht noch bedeutender ist die psychologische Schulung, die Norman mit seinem Schützling von Beginn an fokussiert in die Trainingsplanung aufgenommen hatte. Im Endspiel gegen Nadal gab es nur eine kurze Phase in der der „Iron man“ kurz vor dem endgültigen Triumph seine psychische Balance und damit die Entschlossenheit verlor. Da gewann prompt Nadal den dritten Satz. Im vierten Satz hatte die neue Nr.3 der Weltrangliste die alte Ausgeglichenheit wiedergefunden und marschierte unaufhaltsam zum ersten Grand- Slam- Sieg.
Schon vor den Australian Open hatte sich in der Saison 2013 der Aufschwung Wawrinkas angekündigt. Vier Finalteilnahmen, unter anderem ein Masters-Finale und der erste Halbfinaleinzug bei einem Grand-Slam Turnier sorgten dafür, dass er auf Position 8 der Weltrangliste das Jahr mit seinem neuen schwedischen Coach abschloss. Schon in dem packenden 5-Satz Kampf gegen Nole Djokovic im Semifinal der US Open, der über 4 Stunden dauerte, bewies Stanislas, dass er „das Zeug hatte“, in die absolute Weltspitze vorzurücken. Den Beweis dieser Leistungsfähigkeit hat er jetzt Down Under im Januar 2014 erbracht.
Schweizer Tennistrainer freuen sich über den Triumph Wawrinkas in Melbourne aus einem besonderen Grund: Für sie ist „Stan the man“ das vorbildliche Beispiel für alle jugendlichen Tennistalente, dass man mit harter und zäher Arbeit und ausgeprägter Widerstandskraft bis in die Spitze der Weltrangliste kommen kann.