“Der Leopard”

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(You can find an English translation of this article below the German text)

In der letzten Folge der Stories aus der Tenniswelt hatten wir von einem wahren Sporthelden berichtet. In dieser Folge betrachten wir einen anderen wichtigen Faktor dieser Sportart: den Turnierleiter.

Michael Stich, der Turnierdirektor der German Open, hatte vor Jahren von einem unrühmlichen Vorgänger auf seinem Posten berichtet, der seine Herrschaft so verstand, dass er die Turnierangestellten in seinem privaten Garten zur Frühjahrsüberholung abkommandierte. Natürlich ohne Sonderbezahlung. Eindeutig kann man diesen Hamburger Tennisboss zu den schwarzen Schafen der ehrenwerten Gilde der Turnierfürsten zählen.

Es gibt aber auch viel buntere Gestalten in der weiten Welt der selbsternannten Herrscher im Profitennis. Ein besonders stilvolles Exemplar dieser Gattung wollen wir in diesem Text vorstellen. Er ist nicht nur mir in rühmlicher Erinnerung geblieben: überall wo sich die alten Tennishaudegen treffen, kann einer der Spieler oder Coaches eine besondere Episode von dieser schwarzen Eminenz des weißen Sports erzählen.

Ort des Geschehens ist Italien. Nicht der Süden, dem das Vorurteil der Korruption und des Chaos anhaftet, sondern der Norden, der sich mit dem Anspruch seiner hohen Zivilisation und Kultur gern von den armen Brüdern in Kalabrien oder Sizilien abgrenzt.

Das  Grand Prix Turnier in Mailand wurde von einer beeindruckenden Persönlichkeit, dessen Namen wir aus verschiedenen Interessen nicht veröffentlichen wollen, geleitet.

Hoch aufgeschossen, sein klassisch-römisches Gesicht umrahmt von silber-grauen Locken, stets in eleganten Anzügen der italienischen Modeelite gekleidet, thronte er über den Tenniscourts, die er sich als Betätigungsfeld für die Präsentation seines einzigartigen Charakters ausgesucht hatte.

Wer Burt Lancaster im Film „der Leopard“ von Visconti gesehen hat, der hat eine adäquate Vorstellung von diesem Tennisfürsten aus der Lombardei.

Der Adelstitel in seinem Namen war selbstverständlich und entsprach komplett seinem Auftreten.

Verlassen wir für einen Augenblick diese schillernde Figur und gehen wir näher auf die Umstände ein, die eine Nebenrolle in der darzustellenden Tragikomödie spielen:

Am Vorabend des bedeutenden Turniers hatten sich die Spieler im offiziellen Turnierhotel eingefunden und saßen in verschiedenen Gruppen in dem eigens für sie eingerichteten Saal beim Abendessen.

Plötzlich öffnete sich die Tür geräuschvoll und ein junger deutscher Spieler, der aufgrund seiner hohen Weltranglistenposition für das Hauptfeld qualifiziert war, trat mit fröhlichem Gesicht ein.

Er gesellte sich zu dem Tisch der anderen deutschen Hauptfeldteilnehmer und gab sofort den Grund seiner Fröhlichkeit kund: Er hatte zu dem Sonderpreis, den ein luxuriöser deutscher Automobilhersteller den Topspielern der deutschen Rangliste gewährt hatte, einen neuen Sportwagen erstanden. Von München gestartet, hatte er sich als Ziel seiner ersten Fahrt den Turnierort in Norditalien auserkoren.

Voller Stolz bat er seine Berufskollegen, das Prachtexemplar mit einem Blick aus dem großzügigen Saalfenster zu würdigen. Deutlich sichtbar für jegliches Publikum war der Wagen vor dem Hotelportal von ihm abgestellt worden.

Aus Solidarität taten ihm seine Sportsfreunde den Gefallen und bewunderten das Edelmodell.

Um auch anderen Passanten die Bewunderung seines Sportwagens zu ermöglichen, ließ der Tennisprofi  ihn auch über Nacht an diesem auffälligen Ort stehen.

Als am nächsten Tag die Frühaufsteher schon beim Frühstück im Hotel zusammen saßen, ging die Saaltür auf und ein Spieler der deutschen Delegation tauchte in der Öffnung auf.

Unverschämt grinsend machte er die anderen Spieler auf ein Geschehen außerhalb des Saales aufmerksam: „Schaut mal aus dem Fenster!“ – der sarkastische Unterton war unüberhörbar.

Gesagt- getan. Das Prachtauto war verschwunden.

Sofort wurde der Besitzer des Wagens mit dem Telefon geweckt und informiert.   

Wenige Minuten später erschien dieser in heller Aufregung im Speisesaal, rannte dann zum Hotelportal und suchte verzweifelt, aber vergeblich seinen Wagen in den umliegenden Straßen.

Als der Geschäftsführer des Hotels bei seiner Rückkehr ihm mitteilte, dass das Auto mit höchster Wahrscheinlichkeit gestohlen sei, ließ er seinen Kopf auf den Tisch sinken und schlug seine Arme um sein Haupt. Ein Bild hoffnungsloser Niedergeschlagenheit.

Als er seinen Kopf wieder aufrichtete, verkündigte er, dass er nicht zu seinem Erstrunden-Match antreten werde. Dass er sofort mit dem Zug nach München zurück fahren würde.

Seine Kollegen versuchten ihn zu trösten und ihn zum Spielen zu motivieren.

Derjenige, der den Diebstahl entdeckt hatte, machte ihm auf eine sehr besondere Art Hoffnung: „Wenn du die vierte Runde erreichst, kannst du dir von dem Preisgeld, das du hier gewinnst, in München sofort wieder den gleichen Wagen kaufen!“

Der Münchner ließ sich überreden und fuhr mit dem Fahrdienst zur Turnieranlage.

Als er dort im Turnierbüro dem Direktor sein unglückliches Los schilderte, stand der in voller Würde von seinem schwarzen Ledersessel auf, umschritt den antiken Schreibtisch, nahm den jungen Deutschen huldvoll in seine Arme und tätschelte ihm fürsorglich seinen Hinterkopf.

Zurück auf seinen ledernen Turnierthron sprach er gelassen – in italienisch gefärbtem Englisch – die Worte:

„Bleib ruhig. Mach dein Spiel. Um das andere werden wir uns kümmern. Du kannst dich auf mich und meine Leute verlassen. Wir werden das in Ordnung bringen. Konzentriere du dich jetzt nur auf dein Match!“

Der junge Deutsche verlor sein Erstrundenmatch. Nachmittags brachte ihn der Fahrdienst zurück in das Spielerhotel. Als der Wagen vor dem Hotelportal stoppte, wartete eine Überraschung auf ihn: Exakt auf dem Platz, auf dem ihm sein Neuwagen gestohlen worden war, stand wunderbarerweise wieder sein Gefährt!

Blitzblank  - wie neu. Der Dreck von der Fahrt nach Mailand war abgewaschen worden.

Froh und glücklich rannte der Tennisprofi sofort zum Telefon und ließ sich mit dem Turnierdirektor verbinden, um ihm seinen Dank abzustatten.

Nonchalant erwiderte ihm der „Tennis-Leopard“:

„Du brauchst dich nicht zu bedanken. Das ist selbstverständlich gewesen. Ich und meine Leute, wir halten unser Wort! Wir müssen uns für den italienischen Nachwuchs entschuldigen: Die schießen schnell über das Ziel hinaus und kennen die Spielregeln noch nicht genau. Jetzt werden sie für ewig verstanden haben…“

Das ist der Stil, die Grandezza, eines wahren Fürsten, oder?

Dieser Mann hat nicht nur seine Mitarbeiter im Griff – seine Macht weist weit darüber hinaus.

Während der deutsche Turnierdirektor seine Turnierangestellten zum eigenen Vorteil ausbeutete, hatte unser verehrter Italiener seine Mitarbeiter sogar zum persönlichen Service

für die Turnierteilnehmer einsetzen können. So soll es sein!

Der Wagen war gereinigt worden, die Sorgen waren wie weggewischt und der Turnierdirektor hat seine Hände in Unschuld gewaschen.

Diese Geschichte ist keine fiktive Erzählung – es ist eine wahre Episode. Natürlich bestimmt durch das besondere  italienische Lokalkolorit.

„Das Leben ist schön“ heißt ein moderner italienischer Film vom Komiker Benigni – das gilt auch, in besonderer Weise, für das Leben eines Tennisprofis in Italien.

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“The Leopard”

In the last episode of the stories from the world of tennis, we retold the true story of a sports hero.

In this episode we will talk about another important factor in professional tennis: the tournament director.

Years ago Michael Stich, the present German Open tournament director, described one of his inglorious predecessors as a person who exploited his reign to such a degree that he ordered his tournament staff to spruce up his private garden in the spring: without special payment of course! We can count this Hamburger tennis director as one of the worst black sheep in the honorable guild of tennis tournament royalty.

But there are also a lot more colorful figures in the wide world of the self-proclaimed rulers of professional tennis. A particularly exceptional example of the tournament director will be the subject of this text. He has not only stuck in my mind as a memorable stereotype, but whenever and wherever veteran tennis pros happen to meet, there is always a player or coach who can relate a special episode in the life on this unscrupulous tennis ‘dictator’.

The action takes place in Italy. Not in the south, which is closely associated with corruption and chaos, but in the north which considers itself to be the total opposite of its Calabrian and Sicilian brethren who are considered to be uncivilized and culturally underprivileged.

The Grand Prix Tournament in Milan was organized by an impressive personality, whose name we do not want to publish for obvious interests.

Tall, lanky, his classic Roman face framed by silver-gray hair, always dressed in elegant suits of the Italian fashion elite, he towered over the tennis courts, which he had chosen as the field of activity for the presentation of his unique personality.

Anyone who has seen Burt Lancaster in the movie “The Leopard” by Visconti, has a good conception of this Lombardian tennis prince. The titles of nobility in his name were, of course, real and corresponded exactly to his outward appearance.

For a moment we leave this colorful character and talk more about the circumstances that play a supporting role in the melodrama in question

On the eve of this important tournament, the players had gathered in the official tournament hotel and were sitting in different groups in the hall which had been especially set up for them…

Suddenly the door opened noisily and a young German player, who had already qualified for the main draw due to his world ranking, came in with a broad and cheerful smile on his face.

He joined the other German main-draw participants and immediately explained why he was in such a good mood: he had just purchased a German luxury sports car directly from the manufacturer at a special price available only to top tennis pros.

Since he had gotten the car in Munich, he chose the tournament in Northern Italy to show off his new `wheels`. He proudly requested his colleagues to take a look through the huge lobby window at his beautiful and brand new automobile. Clearly visible to anyone who happened to enter the hotel, the car was parked right in front of the entrance. His buddies did him a favor and expressed their universal admiration of the their friend`s example of conspicuous consumption, his new vehicle.

In order to enable the other passersby to admire his sports car, the tennis pro left it over night in this very conspicuous place.

On the next morning while the early birds were already sitting together at breakfast in the hotel, the door opened and a player of the German delegation appeared in the doorway.

With a dirty grin on his face, the player asked his fellow pros to take a look out the window to observe what was happening outside. The sarcastic tone was unmistakable. No sooner said than done! The newly acquired, beautiful, expensive car was gone.

The owner of the car was immediately aroused and informed of the stolen vehicle A few minutes later the desperate owner appeared in the dining room and started searching for his car in the near-by streets. Of course, all in vain.

When the manager of the hotel returned, he told the tennis pro that with all probability that his car had been stolen. The German`s head sank to the table and he held it with both hands as if to prevent it from falling off. It was a scene of total dejection and desperation. His colleagues tried to comfort him and encouraged him to play.

When he finally lifted his head again, he announced that he would not play his first-round match and that he would go straight back to Munich by train.

The one who had discovered the theft tried to cheer him up and said: “When you reach the fourth round, you can use your the prize money go back to Munich and buy the same car!” The victim was easily persuaded and took the shuttle service to the tennis grounds.

When he related his unfortunate fate to the director, the tournament boss got up from his black leather chair, walked around the antique desk and graciously embraced the depressed, young German graciously in his arms and patted him on the back of his head in a soothing manner. He slowly walked back to his leather `throne´ and spoke the following words with a heavy Italian accent: `Stay calm. Play your game and we will take care of this matter. You can count on me and my friends. We will fix it. You only have to concentrate on your match!`

The young German lost his first round match. The car service took him back to the players’ hotel. When the car stopped in the front of the main entrance, there was a huge surprise was waiting for him: His stolen car was in the same exact place he had left it the night before. An Italian miracle!!

Spic and Span – as if it had just left the showroom . The dirt from the ride to Milan had been washed away.

Elated and very, very happy the tennis pro immediately ran to the phone and called the tournament director to pay him his thanks.

Nonchalantly the boss replied:

“You do not have to thank me. This was taken for granted. My people and I keep our word! We must apologize for the Italian youth. They sometimes act too quickly and do not exactly know the rules of the game. I think they have now come to understand them forever … “

This is the style, the grandeur of a true Italian prince, right? This gentleman not only has his employees under control, but his power extends far beyond that.

While a German tournament director exploits his employees to his advantage, our `honorable` Italian director even used his staff for the personal well-being of the tournament participants. That is the way things should be!

The car had been cleaned, the worries had disappeared and the tournament director had washed his hands of guilt.

This story is not fiction – it really happened. Of course, it has a certain Italian flair to it. “Life is Beautiful” is a modern Italian film produced, directed and played by Italy`s most famous comedian, Roberto Benigni. In a special way, this also reflects the life of a tennis pro in Italy.


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