“Die Gelegenheit beim Schopfe packen”

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Im letzten Post unter Pitch and Court haben wir über die Selbsterfüllenden Prophezeiungen geschrieben, die in entscheidenden Situationen zu unnötigen Fehlern führen.

Internationale Spitzensportler zeigten sich an der Thematik interessiert und haben uns ihre Kommentare zugesandt. Das macht Mut, diese Problematiken an diesem Ort zu vertiefen und Hinweise zu geben, wie man zu erfolgreichen Lösungen kommt.

Da spielt das  deutsche Fußball-Nationalteam gegen Schweden in der Euro-Qualifikation eine Stunde lang Traumfußball und liegt mit 4 : 0 in Führung. Eine kleine Unachtsamkeit in der Verteidigung ermöglicht den Schweden ein Tor. Eigentlich ist nichts Weltbewegendes passiert. Dann erzielen die Schweden wieder ein Tor. Jetzt runzeln einzelne deutsche Spieler die Stirn. Als die Schweden das dritte Tor nachlegen, können sich die deutschen Kicker plötzlich vorstellen, das Spiel noch aus der Hand zu geben. Die „Selbsterfüllenden Prophezeiungen“ beginnen zu wirken, die Handlungen der Deutschen werden ängstlicher  und die Schweden erzielen natürlich den Ausgleich kurz vor Schluss.

Hinterher wurde in den Medien die psychische Schwäche der Nationalelf diskutiert, und an den Stammtischen hatte man mit dem Bundestrainer den Sündenbock für dieses vermeintliche Versagen gefunden. Alles Quatsch! Auch weil man die außergewöhnliche Leistung der Schweden in deutscher Engstirnigkeit vollkommen außer Acht gelassen hat. Die haben in einzigartiger Weise nämlich die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Es lohnt viel mehr, sich über diese vorbildliche Wettkampfeinstellung Gedanken zu machen:

Die antiken Griechen hatten die Bedeutung dieses „Nutzen des günstigen Augenblicks“ erkannt und sogar eine Gottheit für dieses sinnvolle und entschlossene Zupacken, Kairos, geschaffen. Nicht ohne Witz haben sie ihn mit einer Halbglatze und einem Haarschopf auf dem Vorderschädel, den es zu ergreifen galt, dargestellt.

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Kairos ist ein Symbol für die Fähigkeit des Menschen, die Momente, die entscheidend sind, die quasi die Weichen stellen, zu nutzen. Das gilt für das ganze Leben, das gilt aber insbesondere auch besonders für den Wettkampfsport. Im Tennis sprechen wir von den  sogenannten „Big Points“, das sind meist entscheidende Spielstände, wie Break-, Satz- oder Matchball. Genauso wichtig sind im Fußball wie im Tennis die „Turning-Points“, Situationen in denen das Geschehen sich zuspitzt und eine Wendung nach  der einen oder anderen Seite bevorzustehen scheint. Sportreporter sprechen dann oft von dem „Momentum“.

Da verkrampfen einige Spieler, zögern oder werden hektisch. Andere wiederum nutzen ihre Chancen gnadenlos – cool und entschlossen. Sie erkennen  die Gelegenheit, sie greifen zu – und gewinnen.

Bei den „Big- und Turning Points“ unterscheiden sich die hoffnungsvollen Talente von den Siegern.

Wie lernt man diese Winner-Mentalität?

Die Gehirnforscher haben längst erkannt, dass große Momente das natürliche Doping für unsere Gehirne sind. Höhepunkte zählen mehr als Verläufe in unserem Gedächtnis. Das hängt auch mit dem Dopamin-Hormon zusammen, das bei Freude und Erfolg ausgeschüttet wird. Dieses „Glückshormon“ sorgt dann dafür, dass sich die erfolgreichen Aktionen tief in das Gedächtnis einprägen, dass wir es leicht wiedererinnern können. Bei der nächsten großen Herausforderung, in der nächsten entscheidenden Situation, kann man dadurch viel leichter die richtige Lösung wachrufen.

Das klingt gut. Das hört sich einfach an. Ist es aber nicht! „Vor den Triumph haben die Götter den Schweiß gesetzt!“: Um diese Erfolgseigenschaft nachhaltig zu entwickeln, sollte man – laut Aussage der Gehirnforscher und der Spitzentrainer – immer wieder die entscheidende Situation im Kopf durchspielen, um die richtigen Muster ausfindig zu machen. Die erfolgreichen Lösungen müssen dann immer wieder geduldig im Training realisiert und wiederholt werden, bis sie im Gehirn und im Bewegungsapparat verankert sind. Dann ist man auf den entscheidenden Augenblick richtig vorbereitet. Mit dieser Planung wird man zum Manager seines Kairos, man kann selbst über den Ausgang bestimmen.

Training, Training, Training – dann wird man zwar Trainingsweltmeister, aber der Wettkampf hat andere Gesetze.

Deshalb ist im Tennis auf der nächsten Stufe Matchtraining (und im Fußball das Spieltraining) unbedingt erforderlich! Das gelassene Lauern auf den nächsten entscheidenden Moment hilft, unsere Handlungen zu strukturieren, gibt dadurch das nötige psychische und körperliche Gleichgewicht. Man erhöht die Aufmerksamkeit und kann sich so besser orientieren. Es wird  Achtsamkeit entwickelt und damit die Bereitschaft, entschlossen zu handeln, gefördert.

Man sollte sich dem Leben, den Herausforderungen aussetzen, um mehr als einen Kairos zu erhalten. Wenn man die wichtige Herausforderung bewältigt hat, fließt Dopamin. Man empfindet Glück Das Selbstvertrauen ist gestärkt. Bei den nächsten Aufgaben kann man sich auf sein eigenes System verlassen, kann die richtige Lösung viel leichter abrufen.

Teufelskreise und Selbsterfüllende Prophezeiungen sind Schnee von gestern. Sind jetzt dort, wo sie hingehören: tief in die Tonne gedrückt! Die Wahrnehmung ist nicht mehr getrübt von diesem unnötigen Ballast. Man sieht klar. Es wird situationsgerecht gehandelt.

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