Die Show ist vorbei. Das Arthur Ashe Stadium ist leer. Säuberungskommandos streifen durch die Ränge, sammeln den Müll ein. Die US Open sind beendet. Zeit, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Betrachten wir die Welt des Damen- Profi-Tennis etwas genauer: Die Queen hat gewonnen. Eine Dänin hat wieder Anschluss an die absolute Weltspitze gefunden. Eine Chinesin ist nach offensichtlichen Qualen im Halbfinale mit einem Rollwagen vom Platz transportiert worden. Die „junge wilde Horde“ hat etablierte Spielerinnen aus dem Feld geschossen, ist dann verglüht wie eine Sternschnuppe am Tennishimmel.
Gegenwärtig läuft ein Film von David Cronenberg im Kino, der sich kritisch mit dem Showgeschäft Hollywoods auseinandersetzt: Der Regisseur äußert sich zur Problematik der jungen Filmstars: „Ich glaube, dass ist das Schicksal vieler Kinderstars. Aber was bekommen die denn durch ihre Eltern vermittelt?Stellen Sie sich vor, ihre Mutter ist gleichzeitig ihre Agentin, Ihr Vater ist ihr Manager, und das meiste Geld , das die Familie erwirtschaftet, stammt von Ihnen, dem Kind. Sie spüren diese Macht, und sie spüren die Angst ihrer Eltern, wenn Sie plötzlich nicht mehr funktionieren. Drogen nehmen, Unfug anstellen – und dadurch Jobs verlieren. Dieser Druck ist enorm.“
Diese Charakterisierung der„Schattenseiten des Ruhms“ weist Parallelen zum Showsport Tennis in dem WTA-System auf: Kinder werden frühzeitig auf Tenniskarrieren gedrillt, aus der Schule genommen, um fokussiert arbeiten zu können. Bevor man Ranglistenplätze erreicht, in denen „money rolls“, muss viel Geld und Zeit investiert werden. Um Kosten zu senken, übernehmen die Eltern wichtige Manager-, Betreuungs-, manchmal auch Trainerfunktionen. Die Angst, dass beim Scheitern Existenzen ruiniert werden, schwebt immer mit. Der Druck wird stärker und stärker. Jede unerwartete Niederlage wird zur Katastrophe. Das dient nicht dem friedlichen Klima in der familiären Gruppe.
Beispiele gefällig, wie sich dieses Klima auswirkt? Der Dad von Mary Pierce verprügelt auf der Anlage Spielerinnen, die es gewagt haben, gegen seine Tochter zu gewinnen. Der Vater einer jugoslawischen Top-Ten-Spielerin schlägt regelmäßig seine Tochter, wenn sie verloren hat. Diese Vorfälle haben spät – zu spät – dafür gesorgt, dass die WTA den gewalttätigen Familienmitgliedern Anlagenverbote erteilte.
Die beiden Beispiele sind tatsächliche Vorgänge, die öffentlich bekannt wurden. Es gibt aber zahlreiche Fälle vom Tatort Tennisfamilie, in denen exzessive Gewalttätigkeiten ausgeübt wurden, die verheimlicht worden sind. Davon können Coaches Geschichten erzählen, davon wissen auch die Offiziellen der WTA.
Wir thematisierten physische Eskalationen – wie sieht es mit den psychischen Leiden aus?
Eine ehemalige deutsche Top-Fifty-Spielerin beschreibt eine Art, wie junge Profis selbstzerstörerisch mit Niederlagen umgehen: „Du hast gut trainiert, du hast dich gesund ernährt, dann verlierst du ein wichtiges Spiel. Du gehst auf das Hotel, bist mit dir und deinen Selbstvorwürfen allein. Du fängst an, dich als Versager zu sehen. Du beginnst dich zu hassen. Um dich zu bestrafen, haust du dir in kürzester Zeit so viel Schokolade oder andere ungesunde Nahrungsmittel rein, wie du sonst in einem ganzen Monat nicht zu dir nehmen würdest. Dir wird übel – aber du empfindest, dass das dir recht geschieht… Diese Form der Selbstbestrafung ist verbreitet bei meinen Kolleginnen – es gibt aber auch einige, die sich mit dem Küchenmesser selbst Wunden zugefügt haben.“
Die Herren der ATP reiben sich verwundert die Augen, wenn ihnen ihre Kolleginnen von der WTA – was äußerst selten geschieht! – von den realen Abläufen des Shake-Hands nach einem WTA-Match berichten: „Deine besiegte Gegnerin gibt dir freundlich lächelnd die Hand. Wenn du dich umdrehst, spuckt sie dir, unbemerkt von der Öffentlichkeit, in den Nacken. Das sind keine Einzelfälle, das geschieht immer wieder.“
Dass in diesen Stress-Situationen auch Drogen in das Spiel kommen, ist nicht verwunderlich.
Ein bedauernswerter Fall soll zum Ende des Textes als unrühmlicher Höhepunkt geschildert werden: In einem bekannten internationalen Tenniscamp fuhren nach dem Training zwei Assistenztrainer mit ihren weiblichen Nachwuchstalenten abends auf einer Highway zu einer Party. Der Wagen verunglückte. Die beiden Mädchen starben. Die Polizei stellte fest, dass alle vier Insassen mit Drogen vollgepumpt waren. Diese tragische Affäre hatte natürlich ein Nachspiel.
Das Tenniscamp ist weltbekannt. Es sind kaum Informationen über dieses Vorkommnis an die Öffentlichkeit gelangt, obwohl der juristische Prozess sich länger hingezogen hatte. Das System beweist seine Macht.
Schöne heile Welt des Damen-Profitennis? Glanz und Gloria? Das gibt es.
Es gibt aber auch Schattenseiten.