Frauen stören nur im Tennis?

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Die Eidgenossen hätten am vergangenen Wochenende nie den Davis Cup 2014 gewonnen, wenn Frauen zum erweiterten Team gehört hätten. Diese exklusive Meinung vertritt auf  jeden Fall „Blick“, die noch etwas blödere Bild-Zeitung unseres südlichen Nachbarlandes.

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Zitate gefällig? Nicht gern, aber mit dem Hinweis für unsere Leserinnen und Leser, dass wir von derartig antiquierten Einstellungen Abstand nehmen, dient es zur Unterscheidung und im nächsten Schritt zum Nachdenken.

Fangen wir mit einem in Fettbuchstaben hervorgehobenen Zwischentitel des „Blick“-Artikels an: „Frauen stören nur.“ Dann wird ausgeführt: „Das ist in diesem Mannschafts-Wettbewerb beinahe schon Tradition. Die meisten Mitglieder checken ohne weibliche Begleitung ins Hotel ein. Captain, Spieler, Physios, Team-Arzt und Masseure verwachsen zu einer verschworenen Gruppe – essen gemeinsam, trainieren viel, schmieden geheime Pläne im Hotelzimmer oder an der Bar und pflegen mit Gesellschaftsspielen den Team-Spirit. Frauen stören da nur. Das männliche Gefüge könnte auseinanderbrechen. Die Freundin dürfte sich spätestens am zweiten Tag im Exil vernachlässigt fühlen.“

Frauen stören also beim Essen, bei den Gesellschaftsspielen und beim Schmieden geheimer Pläne. Das leuchtet nicht unbedingt direkt ein. Wenn man dann weiterdenkt, fragt man sich, um was für eine Art von Gesellschaftsspielen und Pläneschmieden sich das in dem Davis-Cup-Team wohl handeln könnte – und gerät auf Abwege.

Im weiteren Verlauf des Textes wird darauf hingewiesen, dass es auch bei den Eidgenossen eine Ausnahme von der Regel gegeben hat: Roger Federer, der seine Frau – „nach Absprache mit den Kameraden“, hebt der „Blick“-Autor hervor – zu den Teamwettbewerb mitgenommen hatte. Das Teammitglied Marco Chiudinelli erklärt im Text dann die Hintergründe:  «Roger ist das ganze Jahr mit der Familie unterwegs. Da wäre es doch blöd, ihn in eine neue Situation zu bringen.“

„Wenn er schon mal dabei ist, soll Federer punkten. Und er ist nun mal am besten, wenn er seine Liebsten um sich weiß“, kennt sich der Blick-Autor aus.  Mit diesen Worten reduziert er – wohl unbemerkt -  den Mensch und vorbildlichen Sportler Federer auf die Funktion des Punktelieferanten. Und wirft ihm zwischen den Zeilen vor, dass er sich in der Vergangenheit viel zu häufig von dieser verschworenen Männergesellschaft ferngehalten hat.

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Im nächsten Absatz gibt er wieder seinem Argumentationshelfer  Chiudinelli das Wort: „Also wars bei Roger dann irgendwann erlaubt und bald darauf auch mal bei Stan.»

Stan ist in der Zwischenzeit auch ein Punktlieferant geworden. Um weiter Matches für die Schweiz gewinnen zu können, wird ihm ein Tabubruch zugestanden: Auch er darf seine Ehefrau als Störenfried in das verschworene Team schmuggeln. Aber die wird ja am zweiten Tag schon abhauen, weil sie im „E x i l“  vernachlässigt wird…

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Was der Journalist und sein Testimonial verschweigen, ist die Tatsache, dass ein Großteil der weltbesten Spieler auf den internationalen Turnieren von ihren Frauen und Freundinnen begleitet wird. Die weiblichen Begleiter sind wichtige Vertrauenspersonen für die Tennisstars, die fast das ganze Jahr über im Ausland ihre berufliche Tätigkeit ausüben müssen. Sie sind die „Heimat in der Fremde“ für die Weltreisenden. Das kostet natürlich Geld. Das können sich nur die Topspieler leisten, die ausreichend Preisgeld in ihrer Karriere verdient haben.

Andere Tennisprofis, die sparsam mit ihren Verdiensten umgehen müssen, verzichten auf einen Coach und nehmen lieber ihre Frau oder Freundin mit. Weil Vertrauenswürdigkeit,  Partnerschaft und eine gewohnte Umgebung für sie die wichtigsten Voraussetzungen für zukünftige Erfolge auf der Tour sind.

Der „Blick“-Reporter hat noch nicht erkannt, dass sich in der – früher sehr maskulin  gebärdenden – Profigesellschaft bei den Herren die Einstellungen längst geändert haben.  Früher war es unvorstellbar, dass eine Frau im ATP-Zirkus als Trainerin fungierte. Einige russische Spieler haben damit den Anfang gemacht, In diesem Jahr hat der absolute Spitzenspieler Andy Murray eine Frau, Amelie Mauresmo, als Coach verpflichtet.

Das wird aktuell noch mit kritischen Augen verfolgt – das wird in wenigen Jahren immer häufiger zu beobachten sein.

Mit einem Hinweis auf den Zwist zwischen Mirka Federer und Stan Wawrinka anlässlich des Semifinals in London, setzt der Journalist (wir sind uns einig, dass das nach Inhalt und Stil ein Mann sein muss) sein Pamphlet fort: „Diese unglückliche Vorgeschichte dürfte aber nicht der Grund dafür sein, dass keine der Spieler-Frauen unter der Rekord-Menge im Pierre-Mauroy-Fussballstadion weilt. Mütter, Väter und Geschwister jubeln mit – ­Mirka Federer und Ilham Wawrinka nicht! Im Final wird der Davis Cup zur Männersache: fünf Kerle, ein Team, eine Mission!“

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Die Ehefrauen von Stan und Roger durften nicht mitjubeln! Das Ausrufezeichen hinter dieser Aussage deutet auf den schäbigen Triumph und die ziemlich erbärmliche und deplatzierte Schadenfreude des Journalisten hin.

Der  gesamte Text weist einen solchen Mangel an Sachkenntnis auf, dass man die Leser dieser Schmähschrift nur bedauern kann.

Wir machen hier jetzt einen Punkt und beenden unseren Text mit einer resignativen Aussage: Die Schweizer Tennisspitzenspieler hätten weitaus bessere Kommentatoren verdient.

P.S.

Wenn Millionen Leser in der Schweiz mit solchen Texten ihrer Boulevard-Presse bombardiert werden, ist es kein Wunder, dass das Verbot zum Bau von neuen Moscheen oder die radikale Einschränkung von Neuzuwanderern in diesem Land so viel Zustimmung findet.

P.S,II

Der Text könnte auch als Versuch einer  Parodie geschrieben worden sein. Aber auch in dieser Form ist er misslungen.

 

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