Acht deutsche Tennisprofis haben die 2.Runde der Lawn Championships in Wimbledon erreicht, neun sind ausgeschieden. Das ist keine katastrophale Bilanz – das ist aber auch kaum Anlass zur Euphorie. Die entschuldigende Argumentation, dass einige unserer Spitzenspieler früher ausgeschieden sind, weil sie nicht gesetzt waren, ist kurzsichtig. Dass in diesem Jahr kein deutscher Teilnehmer im Herren-Hauptfeld gesetzt war, ist gerade ein deutliches Zeichen von dem schleichenden Niveauverlust in den letzten Jahren. Die Erfolge unserer Topspielerinnen haben diese schon länger anhaltende negative Entwicklung bisher etwas verschleiert. Es sieht so aus, dass dieselben Damen auch in Wimbledon 2015 die Karre wieder aus dem Dreck ziehen werden.
Bei den deutschen Herren ist der Hoffnungsträger 37 Jahre alt und hat erst vor Wochen wieder an Turnieren teilgenommen, weil ihn eine langwierige Schulterverletzung zur Pause zwang. Tommy Haas ging um 13Uhr Ortszeit auf Court One, um gegen den an 7-gesetzten Milos Raonic die Kohlen aus dem Feuer zu holen – eine Herkules-Aufgabe! Die Helden der Antike sind längst tot und taugen vielleicht noch als märchenhafte Legenden. Dieser Tatsache musste der in Hamburg geborene Tommy, der seit Jahren in Florida lebt, in seiner Partie mit dem Kanadier klar ins Auge sehen. Raonic nahm seinen Gegner ernst, er war hoch konzentriert und entschlossen. Nach 18 Minuten hatte er den 1.Satz mit 6:0 gewonnen. Tommy fluchte nicht wie ein Rohrspatz, nahm das Geschehen fast teilnahmslos hin. Das ist kein gutes Zeichen! Auch im 2.Satz kommt der Deutsche nicht auf Touren, verliert den Durchgang 2:6.
Im 3. Satz gewinnt Haas mit Mühen seine Aufschlagspiele, Raonic bringt sie problemlos durch. Im Tiebreak ist der Deutsche hellwach, zelebriert zwei Mal erfolgreich seinen Paradeschlag, den Rückhand long line. Er vergibt Satzbälle und fängt an zu schimpfen und zu fluchen. Das macht Hoffnung! Haas gewinnt den Tiebreak 7:5 und damit den dritten Durchgang. Raonic ist „not amused“. Im 4.Satz wird auf Augenhöhe gespielt. Der Kanadier hat bei 6:5-Führung 3 Matchbälle in Folge. Haas wehrt sie ab, gleicht aus. Im Tiebreak muss er doch die Waffen strecken. Mit 4:7 scheidet Haas aus dem Wimbledonturnier aus. So what, Tommy. Es hat Spaß gemacht, dir zuzuschauen – und noch mehr, dir zuzuhören!
Dem jüngsten Teilnehmer des Herrenhauptfeldes, dem 18-jährigen Alexander Zverev, traute man im Match gegen Denis Kudla (ATP Nr. 105) einen Einzug in die 3.Runde zu. Zu Beginn schwächelte Saschas erster Aufschlag und er verlor den 1.Satz 3:6. Muss der Hamburger den Strapazen seines Fünfsatz-Matches in der 1.Runde jetzt Tribut zollen? Offensichtlich nicht: Der junge „Schlaks“ dreht den Spieß um und gewinnt den 2.Satz mit 6:3. Im 3.Satz geht er 5:3 in Führung, vergibt unentschlossen Satzbälle und muss sich unnötig den 3.Satz im Tiebreak mit 2:7 vom US-Boy noch abnehmen lassen. Sascha findet nicht mehr auf den Erfolgsweg zurück und scheidet mit 4:6 im 4.Satz aus den Championships aus.
Anna-Lena Friedsam spielte unbekümmert im 1.Satz ihres Matches gegen Belinda Bencic (WTA Nr. 22) auf. Die 18-jährige Schweizer Favoritin kann aber den Durchgang knapp mit 7:5 für sich entscheiden. Unbeirrt setzt die Deutsche ihren Weg fort, geht 2:0 im 2.Satz in Führung, vergibt viele Chancen zum Ausbau der Führung, setzt sich am Ende des Durchgangs aber entschlossen mit 6:4 durch. Im entscheidenden 3. Satz reißt in völlig unverständlicher Weise der Faden im Spiel der 21-jährigen aus Neuwied: sie wird mit 0:6 aus dem Turnier geschossen.
Drei deutsche Niederlagen standen am 3.Tag in Wimbledon zu Buche, als Andrea Petkovic am späten Abend auf Court 12 gegen Marina Duque-Marino (WTA Nr.99) antrat. Die an 14-gesetzte Darmstädterin ging als klare Favoritin in das Match. Sie begann zögerlich, kassierte gleich ein Break, kämpfte sich aber Schritt für Schritt in die Partie, gewann 4 Spiele in Folge und dann den 1.Durchgang mit 6:3. „Petko“ dominiert auch im 2.Satz. Nach etwas mehr als zehn Minuten liegt sie 4:0 in Führung. Das fünfte Spiel dauert allein 10 Minuten, die Kolumbianerin gewinnt es und jubelt, als wenn sie den Grand Slam gewonnen hätte. Weitere sechs Minuten später hat Andrea den Satz 6:1 gewonnen und zieht als erster deutscher Turnierteilnehmer in die dritte Runde von Wimbledon ein.