Die Luft wird schon in der zweiten Runde des Wimbledonturniers immer dünner für unsere Spitzenspieler/innen. Drei Niederlagen standen einem Sieg am dritten Tag der Championships aus deutscher Sicht gegenüber. Dieser Sieg wurde von Andrea Petkovic errungen, die seit Jahren – wie Angelique Kerber, auch Sabine Lisicki und einzelne andere Damen – mit ihren Leistungen dafür sorgt, dass in der deutschen Tennisöffentlichkeit immer noch geglaubt wird, dass wir noch zu den großen Tennisnationen gehören.
Spanien, Tschechien, Frankreich, Schweiz, Rußland und Serbien haben uns längst den Rang abgelaufen. Die USA bleiben eine Tennismacht, Australien ist wieder auf gutem Weg, Japan ist ambitioniert und Kroatien, Italien, Kanada und Polen sind zumindest auf ebenbürtigem Leistungsniveau mit Deutschland.
Am vierten Wimbledontag traten vier deutsche Erstrundensieger zu ihrem zweiten Match auf dem heiligen Rasen an, um mit ihren Siegen das Image des nationalen Spitzentennis wieder aufzupolieren.
In der ersten Spielrunde kam es auf Court 18 zur Begegnung der an 10-gesetzten Angelique Kerber mit der Barthel-Bezwingerin Anastasia Pavlyuchenkova (WTA Nr. 42). Die Russin spielt in der Anfangsphase druckvoll-entschlossenes Tennis. Angelique gelingen einige herausragende Konterschläge und Winner. Bis 5:5 ist die Partie ausgeglichen, Breaks und Rebreaks verhindern eine klare Führung. Angie breakt dann wieder und bringt ihr Aufschlagspiel sicher zum 7:5 durch. Im 2.Satz gelingt es der Kielerin immer besser, die Offensive zu übernehmen. Sie setzt sich deutlich mit 6:2 durch und erreicht als zweite Deutsche nach ihrer Freundin Andrea Petkovic die dritte Runde der Championships. Die Russin war ein echter Prüfstein für die zukünftigen Partien von Angie im weiteren Turnierverlauf.
Sabine Lisicki hatte die Ehre, das Eröffnungsmatch auf dem Centre Court, den sie in ihrem Erfolgsjahr 2013 zum Wohnzimmer erklärt hatte, gegen Christina McHale (WTA Nr. 64) zu spielen. Die Berlinerin beginnt etwas hektisch, bei 2:2 wird ihr das Aufschlagspiel abgenommen. Danach wirkt sie verunsichert, verliert auch die nächsten drei Spiele und den 1.Satz mit 2:6. Als Bine gleich wieder ihr erstes Aufschlagspiel im 2.Satz abgibt, machen wir uns langsam Sorgen um die sensible Aufschlagweltrekordlerin. Der Aufschlag des US-Girls schwächelt dann zum ersten Mal, sie öffnet der Deutschen wieder die Tür zu ihrem Wohnzimmer und Lisicki gelingt ein Rebreak. Bis zur 6:5-Führung Lisickis wird kein Aufschlagspiel mehr verloren. Dann spielt Bine entschlossener, breakt ihre Kontrahentin und gewinnt den 2.Satz mit 7:5. Im 3.Satz scheint sich Bum Bum Bine endlich in ihrem Wohnzimmer eingerichtet zu haben. Jetzt gelingen krachende Aufschläge, knallharte Vorhände serienweise und auch die Rückhand wird sicherer. Die an 18-gesetzte Deutsche geht 5:1 in Führung. Bei eigenem Aufschlag „flattert“ unsere Bine kurz, vergibt einen Matchball, verwandelt dann aber den zweiten zum 6:1- Satz- und Matchgewinn. Der Aufschlagweltrekordlerin ist ein kämpferisches Comeback gelungen. Die dritte deutsche Spielerin hat die dritte Runde des Grand Slams in London erreicht.
Tatjana Maria startete ihre Partie gegen Ying Ying Duan (WTA Nr. 112) am späten Nachmittag auf Court 11. Die Chinesin hatte zum Auftakt die gesetzte Kanadierin Bouchard aus dem Turnier geworfen. Im 1.Satz war die Deutsche chancenlos beim 1:6. Im 2.Satz schlug sie zurück und setzte sich 6:2 durch. Der 3.Satz war ein Thriller mit zahlreichen Siegchancen auf beiden Seiten. Tatjana Maria, geborene Malek, zeigte ihr Kämpferherz und zog mit einem 10 : 8-Sieg im entscheidenden Durchgang in die dritte Runde von Wimbledon ein.
Am Abend spielte der einzige im Turnier noch übrig gebliebene deutsche Spieler, Dustin Brown, auf dem Centre Court gegen Rafael Nadal. In Halle hatte unser Paradiesvogel den Spanier vor wenigen Wochen auf Grass geschlagen. Im ersten Satz knüpfte der Deutsch-Jamaikaner an seine Form vom Turnier in Westfalen an: mit wahnwitziger Variabilität und unorthodoxen Schlägen bezwang er Rafa mit 7:5.
Der zweifache Wimbledonsieger kämpfte sich im 2.Satz in das Match hinein, setzte sich mit 6:3 durch – auch weil nicht alle Zaubereien von Dustin zum Erfolg führten. Im dritten Satz gelingt dem Rastaman ein frühes Break. Dann folgen knallharte Winner, krachende Asse und gefühlvolle Stopp-Lob-Kombinationen. Das entzückt natürlich uns und auch einen Großteil der Zuschauer, die mit groß geöffneten Mündern den 6:4-Satzsieg der „Wundertüte“ aus Celle (das ist ein biederes Örtchen in Niedersachsen) bestaunen. Im 4. Satz gelingt Brown im ersten Spiel gleich ein Break. Onkel Tony kaut auf den Nägeln, sein Neffe kratzt sich hektisch- gegen alle Etikette – am Hinterteil. Bei 5:3 und Aufschlag Nadal hat der Deutsch-Jamaikaner zwei Matchbälle in Folge. Der Spanier ist ein unermüdlicher Kämpfer, er wehrt sie ab und verkürzt dann auf 4:5. Im nächsten Spiel beginnt Brown mit einem Doppelfehler. Mit einem Ass beendet er das Spiel, den Satz zum 6:4 und das Match. Großes Tennis. Grass – da ist „Dust in the Wind“ in seinem Element.
Vier deutsche Tagessiege – besonders das spektakuläre Reggae-Tennis von Brown – haben dazu beigetragen, dem Image des Tennis neuen Glanz zu verschaffen.
Viel nüchterner – mit klaren Dreisatzsiegen – spielten sich Federer, Murray, Berdych, Tsonga und Monfils in die dritte Runde.