Aus Tradition wird im „weißen Sport“ wert auf Fairness gelegt. Newcomer auf der Profitour mussten oft lehrreich erfahren, dass man diese positive Einstellung nicht überall erwarten kann. Die folgende Geschichte kann das verdeutlichen.
Ein deutsches Tennistalent – er bat darum, seinen Namen nicht zu nennen – trat zu der ersten Qualifikationsrunde eines „Future-Turniers“ im tiefsten Afrika an, um erste Weltranglistenpunkte zu erringen.
Die Tennisanlage war extrem weitläufig und um zum Court seines ersten Matches zu gelangen, brauchte er mit einigen Verirrungen fast zehn Minuten. Endlich auf dem Spielplatz angekommen, erwartete ihn dort schon sein freundlich lächelnder einheimischer Gegner. Schon beim Einschlagen entdeckte der junge Deutsche, dass sein Kontrahent leicht zu bezwingen sei. Die weite Anreise zu dem Turnierort, die hohen finanziellen Investitionen, schienen sich zu lohnen.
Er gewann dann auch 6:1, 6:1.
Nachdem er den Glückwunsch seines Gegners am Netz entgegen genommen hatte, setzte er sich glücklich auf die Bank. Nach kurzem Genuss des Sieges entschloss er sich – gut erzogen, wie er war – den Platz für die folgenden Konkurrenten abzuziehen. Danach machte er sich auf den Weg zur Turnierleitung, um frohgemut seinen Sieg zu melden und um sich nach seiner Ansetzung für die nächste Runde zu erkundigen.
Dort wurde ihm mitgeteilt, dass er doch ausgeschieden sei. Der Turnierleiter zeigte ihm das schon in das „Turniertableau“ eingetragene Ergebnis:
Schwarz auf weiß war seine Niederlage hier verzeichnet!
Sauber und ordentlich: 6:1, 6:1.
Nach verzweifelten Rückfragen erhielt er die Erklärung für dieses Rätsel: Während er den Platz abzog, griff sich sein Gegner die Spielbälle, eilte damit im Eilschritt und zielbewusst zur Turnierleitung und gab dort die Filzkugeln ordnungsgemäß ab.
Nicht ohne dem vom Ort des Geschehens weit entfernten Turnierdirektor von seinem Sieg zu berichten!
Unser deutscher Profifrischling hatte nicht die Regel beachtet, dass – bei Spielen ohne Schiedsrichter – der Sieger mit den Spielbällen das Ergebnis bei der Turnierleitung meldet!
Eine kleine Unachtsamkeit mit gravierenden Folgen.
Trotz aller berechtigten Entrüstung, trotz allen Protestes: die Niederlage war besiegelt. Nichts war zu ändern. Die Mühen der Reise waren umsonst.
Eine ziemlich kalte Dusche, die nicht unbedingt dazu beitrug, den jungen Deutschen abzukühlen.
Er biss die Zähne zusammen, packte seine Tennisklamotten, fuhr in das Hotel, von dort zum Flughafen und verließ den schwarzen Kontinent auf Nimmerwiedersehen.
Seinem weiteren Leben hat diese Erfahrung nicht geschadet. Heute ist der ehemals junge Mann Manager bei einer weltweit bekannten Sportfirma und berät dort junge Talente bei der Planung ihrer Karriere.
Nach seinem Abenteuer in Afrika hatte er noch einige regionale Tennisturniere gespielt und sich bald entschieden, seine Ambitionen zum Tennisprofi „an den Nagel zu hängen“.
Ganz ehrlich: seine Tenniskünste hätten auch nicht für internationale Spitzenplätze gereicht. Mit seinem Erfahrungsschatz kann er jetzt sicherlich viel besser anderen Sportlern dienen.
Die erste Lektion, die Einsteiger in den internationalen Tennis-Zirkus aus diesem Abenteuer lernen können, lautet folgendermaßen:
Seid achtsam – achtet auch auf die Kleinigkeiten!
Sie können unerwartete Folgen hervorrufen!
Eine zweite Lektion lässt sich auch aus dieser Erfahrung ableiten:
Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!
Das ist ein Zitat von Lenin. Der alte Bolschewik hatte absolut nichts mit dem kapitalistischen Tennis am Hut, sein Ausspruch gilt aber trotzdem – wie eine in Erz gehauenen Mahnung – für jeden jungen Menschen, der eine erfolgreiche Profikarriere plant.
Wir wollen jetzt keine weiteren pädagogischen Zeigefinger heben. Die Story spricht für sich selbst.
Sie ist komisch für die Außenstehenden und sie ist traurig für das Opfer dieses Betruges.
So spielt eben das Leben im Profizirkus.