Fluch über den deutschen Damen in der kalifornischen Wüste?

| Keine Kommentare

Die Boulevardpresse sprach von einem „Neustart“ Angelique Kerbers in Indian Wells bei den BNP Paribas Open – und verkannte die reale Situation im internationalen Profitennis. Die Erstrundenniederlage in Doha nach den Australian Open hatte verschiedene Ursachen: Die Reisestrapazen, der dreifache  Klimawechsel innerhalb kurzer Zeit, die zu kurze Erholung in Polen, der Medien-Rummel und der damit verbundene Druck bei dem nächsten Auftritt. Hinzu kommt der Charakter der Kielerin: Sie ist bodenständig und bescheiden, fühlt sich nicht von der Schickeria angezogen und zieht dem Glamour die familiäre Umgebung vor. So schön der Grand Slam-Sieg für sie und die deutsche Öffentlichkeit war, der Nachhall dieses Triumphes hatte sie aus ihren gewohnten Bahnen geworfen.

Kielerin

 Darüber hinaus haben bisher alle Spielerinnen der Weltspitze in jeder Saison mindestens eine Erstrundenniederlage kassiert. Diese Niederlage war also aufgrund verschiedener Konstellationen verständlich und für Fachleute kein Grund zur großen Sorge. Kein Neustart also in Indian Wells, sondern das normal turbulente Leben auf der WTA-Tour ging weiter.

Vor ihrem Auftritt bei den BNP Paribas Open hatte sie mehr Zeit zur Besinnung gefunden. Alle Fragen zu ihrem Zustand und zu ihrer Einstellung vor dem Match gegen Denisa Allertova hatte die aktuelle Weltranglistenzweite positiv beantwortet. Sie fühle sich wohl im sonnigen Kalifornien, sie hätte ihr Energiereservoir aufgefrischt und sie freue sich auf das Match gegen die Tschechin. Das schienen bessere Voraussetzungen für einen Erfolg als in Katar zu sein.

Angie fängt gut an, breakt Allertova (WTA Nr.64) im ersten Spiel, hat aber Probleme mit dem eigenen Service und kassiert ein Rebreak. Die Kielerin hat noch nicht zur absoluten Souveränität gefunden, beide Spielerinnen gewinnen in der Folge bis 4:4 ihre Aufschlagspiele – nur Angie musste zwei Breakbälle abwehren. Vielleicht sind wir voreingenommen, aber noch agiert unsere Nr.1 so, als ob sie eine schwere Last auf dem Rücken mit sich trage. Bei 6:5-Führung gelingt Allertova ein zweites Break und Kerber verliert den 1.Satz 5:7.

Bis 2:2 im 2.Satz kann uns Angies Auftritt nicht die Sorgen nehmen. Dann breakt sie ihre Kontrahentin ohne einen einzigen Punkt abzugeben, baut den Vorsprung anschließend auf 4:2 und 5:3 aus. Bei Aufschlag Allertovas vergibt sie zwei Satzbälle in Folge und verliert das Spiel zum 5:4. Bei eigenem Service wehrt sie zwar einen Breakball ab, muss aber den Ausgleich zum 5:5 hinnehmen. Die Tschechin serviert ohne Punktverlust zur 6:5-Führung durch. Angie Kerber steht mit dem Rücken zur Wand. Ein Doppelfehler der Kielerin im nächsten Spiel führt zum Matchball Allertovas. Sie verwandelt ihn, gewinnt den zweiten Durchgang 7:5. Die deutsche Weltranglistenzweite ist in ihrem Auftaktmatch in Indian Wells ausgeschieden!

Fünf deutsche Spielerinnen sind jetzt nacheinander in die kalifornische Wüste geschickt worden.

männergesellschaft

Bad Luck. Oder deutlicher: Shit happens!

Da konnte nur noch Annika Beck diese grausame Statistik verbessern. Leider ging die gebürtige Gießenerin absolut nicht als Favoritin in das Match gegen Elina Svitolina. Die 21-jährige Ukrainerin war in den letzten Monaten auf Rang 14 der Weltrangliste vorgestürmt.

Die Partie beginnt kurios. In den ersten 3 Aufschlagspielen machen beide Kontrahentinnen jeweils 4 Doppelfehler. Annika gelang die wohl einzigartige Leistung, mit 4 Doppelfehlern ihr Servicegame zu gewinnen und ging 3:0 in Führung. Das gab ihr Sicherheit und sie verwandelte den dritten von drei Break-Bällen nach 51 Minuten Spielzeit zum 6:4-Gewinn des 1.Satzes.

annika

Die 21-jährige Deutsche spielt entschlossen mit sicheren und druckvollen Grundschlägen weiter, die Ukrainerin hilft ihr mit ihrem insgesamt 7. Doppel-Fehler und Beck erspielt sich sofort einen 3:0-Vorsprung im 2.Satz. Sie vergibt beim Aufschlagspiel Svitolinas einen Breakball – ihre gleichaltrige Kontrahentin verkürzt auf 1:3. Annika behält die Nerven, geht 4:1, dann 5:2 in Führung. Mit ihren ersten beiden Assen kommt Svitolina auf 3:5 heran. Kurz vor Torschluss zeigt die Ukrainerin ihr großes Potential, breakt Beck zum 4:5 und gleicht bei eigenem Aufschlag ohne Punktabgabe aus. Die junge Deutsche setzt dagegen, erkämpft sich das 6:5, muss dann nach zähem Ringen das 6:6 hinnehmen.Im Tiebreak ist Svitolina wild entschlossen, gewinnt 7 Punkte nacheinander und den 2.Satz.

Machen wir es kurz – wie Elina Svitolina im entscheidenden 3.Satz: Die Ukrainerin rollte über Annika Beck hinweg, gewann den Durchgang in weniger als 20 Minuten mit 6:1 (nach 5:0) und erreichte die Runde der letzten 32.

Wer geglaubt hatte, dass alle deutschen Damen vor der Runde der letzten 32 ausgeschieden seien, sah sich getäuscht. In letzter Sekunde sagte die an 6-gesetzte Carla Suarez-Navarro ab und Anna Lena Friedsam, die in der letzten Runde der Qualifikation verloren hatte, rutschte als Lucky Looser für sie gleich in die 2.Runde des Turnierfeldes. Das bedeutete einfach verdientes und gutes Preisgeld.

 

friedsam

Sie trat dann gegen das 18-jährige Ausnahmetalent Daria Kasatkina (WTA Nr.48) an, die in ihrer Auftaktrunde die Tschechin Hantuchova besiegt hatte. Die 22-Jährige aus Neuwied servierte im 1.Satz zwar 4 Asse, glich auch einen 3:5 Rückstand noch auf 5:5 aus, musste sich aber am Ende der erstaunlich nervenstarken jungen Russin mit 5:7 geschlagen geben.

Mit vorbildlichem Einsatz versuchte Anna-Lena ihre Chancen im 2.Satz zu nutzen. Vergeblich: Die beeindruckend spielende Kasatkina gab das Match nicht mehr aus der Hand. Obwohl die Deutsche 3 Matchbälle abwehrte, musste sie sich 3:6 im zweiten Durchgang geschlagen geben und schied als siebte deutsche Spielerin hintereinander bei den BNP Paribas Open vor der dritten Runde aus.

In der Wüste von Indian Wells scheint ein Fluch über den deutschen Tennisdamen zu liegen.

 

 

 

Hinterlasse eine Antwort

Pflichtfelder sind mit * markiert.