Stell dir vor, es ist Davis Cup – und keiner geht hin.
Jetzt muss die deutsche Davis Cup-Mannschaft auch ohne Spitzenspieler Philipp Kohlschreiber am kommenden Wochenende in Berlin gegen Polen den Klassenerhalt in der Weltgruppe schaffen. Der 32 Jahre alte Augsburger laboriert nach wie vor an den Folgen einer Stressfraktur im Fuß, die bereits seine Teilnahme am olympischen Turnier im August in Rio verhindert hatte.
„Das ist für uns mit Sicherheit ein Schlag, wenn der beste Mann ausfällt. Aber wir sind trotzdem noch der Favorit”, sagte Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann, der den als Trainingspartner vorgesehenen Daniel Masur nachnominierte.
Vor der Absage Kohlschreibers hatten schon Alexander Zverev und Dustin Brown ihren Verzicht auf einen Davis Cup-Auftritt dem DTB mitgeteilt – nicht unbedingt zur Freude der Offiziellen.
Jetzt kämpfen Florian Mayer, Jan-Lennard Struff, Daniel Brands und Masur gegen den ersten deutschen Abstieg seit 13 Jahren.
Kohlschreiber unterzog sich am Montag noch einmal einer Untersuchung in München. DTB-Mannschaftsarzt Tim Kinatheder erklärte, der Heilungsverlauf zeige eine deutliche Verbesserung, „aber die Verletzung ist noch nicht ausgeheilt und so ist man zu der Entscheidung gekommen, dass ein Start bei einer so wichtigen Davis-Cup-Begegnung und zwei Best-of-Five-Matches zu riskant für Philipp Kohlschreiber ist.”
Die Gründe der Absage Kohlis sind nachzuvollziehen. Die Erklärungen von Zverev und Brown könnte man als skandalös beschreiben.
Die Umstände der Absage Zverevs (Der mit fadenscheinigen Gründen schon nicht bei dem olympische Tennisturnier, bei dem es keine Punkte und kein Preisgeld zu gewinnen gab, antrat) sorgten für Misstöne und Irritationen. Der 20-Jährige Hamburger hatte am letzten Tag der US Open dem deutschen Team-Kapitän seine Nicht-Teilnahme mitgeteilt. „Wir haben immer gesagt, dass wir alles versuchen werden, weil er uns extrem weiterhelfen würde”, sagte Kohlmann. Zverev hatte in Flushing Meadows zunächst erklärt, noch keine Gespräche über den Davis Cup geführt zu haben. Kohlmann konterte die Aussage des 19-Jährigen: „Ich würde lügen, wenn ich das bestätigen würde. Wir haben mehrmals gesprochen.”
Der Belagwechsel von Hardcourt auf Sand und der enge Terminplan seien die Gründe für den Verzicht Zverevs.
Noch mehr Unverständnis rief das Verhalten Dustin Browns bei dem Davis Cup-Coach hervor: „Er hat seine Absage mit ‘anderen Zielen’ begründet. Er will in die Top 60 und keine Challenger-Turniere mehr spielen. In der Davis-Cup-Woche geht er aber bei einem Challenger in Stettin an den Start”, berichtete Kohlmann sichtlich verärgert.
Es ist sicherlich nur ein Gerücht, dass der Deutsch-Jamaikaner beim Turnier in der Hauptstadt von Meck-Pomm ein stattliches Antrittsgeld kassiert…
Die deutschen Herren haben in den letzten Wochen und Monaten ihr Land absolut nicht in den schillerndsten Farben vertreten. Ist der traditionsreiche Davis Cup keine Chance, sich und sein Land (oder in umgekehrter Reihenfolge) positiv zu präsentieren?
Ist es anachronistisch, wenn man diese Absagen-Serie in Beziehung zu mangelnder Verantwortung, Charakterlosigkeit, fehlender Solidarität oder gar Undankbarkeit setzt?
Ein Trauerspiel.
Armes Deutschland.
Armseliges deutsches Herren-Tennis.
Bei den Damen reißen sich unsere Top- Spielerinnen darum, im Fed Cup-Team von Barbara Rittner auftreten zu dürfen…
Kommen wir am Schluss zu weniger emotionalen Fakten: Die Partie wird auf der Anlage des LTTC Rot-Weiß im Steffi-Graf-Stadion an der Hundekehle stattfinden.
Berlin ist nach 25 Jahren erstmals wieder Gastgeber des Davis Cups. 1991 gewann Deutschland mit Boris Becker und Michael Stich in der Deutschlandhalle das Viertelfinale in der Weltgruppe gegen Argentinien mit 5:0.
Deutschland und Polen standen sich bislang drei Mal im Davis Cup gegenüber. Deutschland konnte zwei Mal siegen, eine Partie konnten die Polen gewinnen.