Tag 2
Der erste Tag der Australian Open war aus deutscher Sicht ein glanzvoller Auftakt. Von zehn Teilnehmern hatten sich sieben erfolgreich durchgesetzt. Am zweiten Tag traten acht weitere Profis aus unserer Republik an, um vergleichbare Leistungen zu erzielen. Von vornherein schienen die Aussichten etwas schlechter, weil der Druck auf die deutschen Spieler „des zweiten Tages“ nach den Erfolgen ihrer Kollegen/innen nicht geringer geworden ist. Wir sollten dabei nicht vergessen, dass die 1.Runde bei einem Turnier von allen Profis dieser Welt, die am meisten gefürchtete ist. Der Hintergrund dieser Furcht ist vielfältig: Die Profis sind sich vor dem ersten Match nicht ganz über ihre aktuelle Form sicher. Sie haben viel Vorbereitungszeit und hohe Reisestrapazen unter Umständen ganz schnell umsonst investiert, wenn sie ihr Erstrundenmatch verloren haben. Und keiner hat Lust, nach einer frühen Niederlage zu den 50% „Loosern“ zu gehören, die in den Aufenthaltsräumen der Tennisprofis auf der Turnieranlage von ihren erfolgreicheren Konkurrenten mitleidig belächelt werden. Dieser besondere Druck erhöht sich natürlich, wenn man im fernen Australien zu einem Grand Slam antritt.
Am Dienstag stiegen die Temperaturen in der Hauptstadt des fünften Kontinents noch weiter an. Bis zu 43 Grad Celsius machten aus den Turniermatches wahre Hitzeschlachten.
Der zweite Spieltag begann für die deutschen Teilnehmer, bevor der erste Ball geschlagen war, unglücklich: Philipp Kohlschreiber musste kurzfristig sein Match wegen Oberschenkelproblemen absagen.
Auch dem Qualifikanten Peter Gojowczyk stand das Glück nicht zur Seite. Bei seinem ersten Grand-Slam-Auftritt verlor er gegen den Rumänen Victor Hanescu die beiden ersten Sätze denkbar knapp im Tiebreak und schied, nachdem er den dritten Satz mit 3:6 abgab, aus. Er wird aus dieser Erfahrung lernen und hoffentlich in der weiteren Saison an seine hervorragenden Leistungen in letzter Zeit wieder anknüpfen.
Der verletzungsgeplagte Julian Reister startete gut und gewann den ersten Satz gegen den etablierten Brasilianer Bellucci mit 6:4, gab den zweiten Satz 3:6 ab, um nach Verlust des dritten Satzes im Tiebreak das Match aufzugeben. Die Gründe sind noch ungeklärt – die brennende Hitze hat sicherlich eine Rolle gespielt.
Der andere Qualifikant Michael Berrer musste sich mit dem Franzosen Llodra auseinandersetzen. Mit seinem verdienten 6:4,7:5,6:1 Sieg sorgte er für den ersten deutschen Sieg bei den Hitzeschlachten des zweiten Spieltages.
Der aufschlagstarke Benjamin Becker dämpfte dann mit seiner Viersatzniederlage gegen den Aussie Nick Kyrgios (6:3, 6:7, 2: 6, 6:7) die wieder neu aufgefrischte deutsche Siegeszuversicht.
Den negativen Tagestrend setzte das Nordlicht Tobias Kamke gegen den Ami Jack Sock leider fort. Tobi fightete bis zum bitteren Ende: 6:7, 7:5, 2:6, 3.6.
Daniel Brands, der uns im letzten Jahr so viel Freude bereitet hatte, war gegen den an 18-gesetzten Giles Simon aus Frankreich die letzte Hoffnung, um zum Schluss doch noch mit einem deutschen Sieg den Tag positiv zu beenden. Wir saßen vor dem Live-Ticker und verfolgten von dort den 5-Satz- Krimi, weil Eurosport kein Kamerateam auf dem Court hatte. Bei 14:13 Führung Brands im entscheidenden Satz glaubten wir schon, dass unsere Mühen belohnt werden würden: 15:40 bei Aufschlag Simons: zwei Matchbälle für unseren Helden. Abgewehrt – 14 :14 nach 4 Stunden harten Fights im Brutofen Australiens. Simon breakt dann das Servicegame Daniels (bis dahin 41 Asse!), Brands setzt noch einmal dagegen, führt mit 30:0 und muss sich dann doch am Ende mit 7:6, 4:6, 6:3, 3:6 und 14:16 geschlagen geben. Bad luck, Daniel. So what – du hast es verdient, wenn deine Füße dich noch tragen, am nächsten Tag deine Wunden am Strand von Melbourne zu pflegen. Die tragische Niederlage des Deutschen war charakteristisch für den „versauten“ (Zitat Klopp) deutschen Tag in Down Under.
Bisher haben die Legenden an der Seite der Turnierfavoriten in der Herrenkonkurrenz ihre Aufgabe souverän erfüllt. Der von Boris Becker unterstützte Nole Djokovic gewann sein Auftaktmatch in drei Sätzen gegen den Slowaken Lacko und Roger Federer, dessen neuer Begleiter Stefan Edberg das Spiel aufmerksam aus der Player‘s Box beobachtete, setzte sich ebenfalls souverän mit 6:4, 6:4,6:2 gegen den Aussie Duckworth durch.
Zwei deutsche Damen hatten sich am zweiten Spieltag in Melbourne vorgenommen, als sechste und siebte deutsche Teilnehmerin in die 2.Runde vorzurücken: Andrea Petkovic und Carina Witthöft. Ohne Erfolg.
Die „Hamburger Deern“ Carina Witthöftt kämpfte nicht nur gegen die Luxemburgerin Mandy Minella, sondern auch gegen die brütende Hitze. Mit 1:6, 4:6 musste sie sich beiden Gegnern geschlagen geben. Schade, aber allein ihre Qualifikation war schon ein Achtungserfolg.
Andrea Petkovic fehlte in ihrem Spiel gegen die gesetzte Slowakin das letzte Quäntchen Selbstvertrauen und Siegeszuversicht. Zu oft nutze sie klare Situationsvorteile nicht. Da knallte Petko dann schon häufiger aus Frust den Schläger auf den Hartplatz. Die gelassener agierende Slowakin ging am Ende klar als Siegerin mit 6:2, 6:3 vom Platz.
Bilanz nach zwei Tagen: Zahlenmäßig sieht das nach dem zweiten Tag etwas anders aus als gestern: 7 deutschen Siegen stehen jetzt 10 Niederlagen gegenüber. Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Der zweite Spieltag bei den Australian Open hat aus deutscher Sicht die Bäume nicht in den Himmel wachsen lassen. Bleiben wir bescheiden und erfreuen uns an jedem einzelnen Weiterkommen eines deutschen Tennisprofis in Melbourne.
Wir können schon jetzt zuversichtlich unsere pessimistischen Leser beruhigen: Auch am Finaltag wird mit deutscher Beteiligung gespielt werden – wenn unser Oldtimer Boris auf der Tribüne an der Seite Djokovics teilnehmen wird…
Da uns noch keine Bilder von den Australien Open vorliegen, haben wir ein Video aus der letzten Saison für euch, dass das Leistungsvermögen von Brands eindrucksvoll belegt: