“Fragen über Fragen zum Frankfurter Davis Cup Skandal”

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Fünftausend Tennisenthusiasten strömen in die ausverkaufte Frankfurter Ballsporthalle, um das deutsche Davis-Cup-Team im Kampf gegen Spanien zu unterstützen. Vielleicht wollten sie auch die Topspieler Nadal und Ferrer sehen – aber die hatten wegen Verletzungen vorher abgesagt. Unbeeinflusst von dieser leisen Enttäuschung unterstützt dieses Publikum mit ungewöhnlicher Begeisterung die deutschen Spieler an den ersten beiden Tagen und trägt mit dazu bei, dass der prestigeträchtige Sieg gegen die Iberer schon am zweiten Spieltag gelingt. Die Spieler feiern, loben das phantastische Publikum und bekunden, dass sie so etwas in ihrer Tenniskarriere noch nie erlebt haben.

Das alles ist am dritten Tag vergessen. Es findet sich kein Spieler, der zum vierten (okay, nicht mehr spielentscheidenden)  Einzel antritt – alle sind verletzt. Der Davis-Cup-Coach erklärt dem Publikum die Entscheidung: ein wütendes Pfeifkonzert der Zuschauer, die für 2 Tagesmatches teuren Eintritt bezahlt haben, ist die Resonanz. Als später der Verbandspräsident Altenburg an das Mikrofon tritt, um die Lage zu erklären und um dem Frankfurter Publikum eine Entschädigung anzubieten, kommt er kaum zu Wort. Die Enttäuschung, die Entrüstung ist nicht mehr zu stoppen.

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Am nächsten Tag berichten die Medien in wenigen Zeilen von dem überraschenden sportlichen Sieg und sehr ausführlich von dem Eklat in Frankfurt. Diese mediale Reaktion kann nicht einmal den Platzwart vom TC Hintermberg überraschen.     

Wir haben vergeblich versucht, uns bei einigen Protagonisten und Verantwortlichen über Hintergründe des Geschehens zu informieren. Da wir keine Antworten bekommen haben, ist es journalistisch gerechtfertigt, in diesem Text die Fragen zu stellen, die jedem engagierten Tennisfan aufgrund der Vorfälle durch den Kopf gehen.

Beginnen wir mit der Frage, die von menschlichem Mitleiden geprägt ist: Haben die Spieler einen frühen Anfall von Demenz in der Nacht vom Samstag auf Sonntag erlitten? Freitag und Samstag waren sie dem Publikum dankbar, haben mit ihm die Siege gefeiert und es wurde von unvergesslichen Erlebnissen gesprochen, die auch – oder gerade! – aufgrund der Begeisterung der Zuschauer hervorgerufen wurden. Das war schnell vergessen am nächsten Tag. Als Grund der Absage wurden die Verletzungen der in Frage kommenden Akteure genannt. Hoffen wir also alle auf eine Wunderheilung, die es dann einzelnen dieser Spieler ermöglicht, in der laufenden Woche wieder auf der ATP-Tour zu spielen.

Bei aller um Verständnis ringender Identifikation mit den Sportlern taucht in diesem Zusammenhang trotzdem die folgende Frage auf: War das Verhalten unserer nationalen Repräsentanten professionell? Übernimmt man im Tennisberuf keine Verantwortung für das gesamte System? Sind die zahlenden Zuschauer nicht auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor? Glauben einige deutsche Tennisprofis, dass sie abgekoppelt von der medialen Öffentlichkeit agieren?  Hat der Davis-Cup-Spieler, der für seinen Einsatz nicht nur mit freundlichem Schulterklopfen vom DTB honoriert wird, nicht auch die Aufgabe, über seine Nase hinweg zu schauen und den möglichen Imageschaden des deutschen Tennis in den Medien zu berücksichtigen? Entschuldigen wir die Spieler hier mit Kurzsichtigkeit, dann wirft das die nächste Frage auf: haben unsere Tennisspieler keine Manager, die sie mit Durch- und Weitblick beraten? Ein sympathisches und verantwortungsvolles Auftreten macht sich spätestens bei den Werbeverträgen bezahlt. Wird diese Regel nicht berücksichtigt, wird nicht nur ein ethischer Fehler begangen, sondern Profit verspielt. Und das schmerzt – nach allen Vorurteilen in der Öffentlichkeit – die Tennisprofis und ihre Manager am meisten.

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Betrachten wir die nächste Ebene, die Verbandsvertreter, genauer: Hat der neue Teamcoach Carsten Arriens keinen Einfluss auf seine „Schützlinge“? Hat er gar keine Entscheidungsgewalt? Arriens stellte sich vor sein Team (Team?) und bat um Verständnis bei den verprellten Zuschauern. Das war mutig – das war von vornherein vergeblich. Er wusste sicherlich von seiner absurden Aufgabe. Kein normaler Mensch hätte gern an seiner Stelle diesen Auftritt gehabt. Wir möchten lieber nicht wissen, wie hinter verschlossenen Türen zwischen verweigernden Profis und dem Nationalcoach vor den Sonntagsmatches verhandelt wurde… Auf jeden Fall war das keine optimale Vorbereitung für Daniel Brands, der im dritten Einzel seine Nation mit Verantwortungsgefühl und Bravour vertrat.

Damit kommen wir zu dem letzten Fragenkomplex: Hatte der DTB bei seinen Verträgen mit den Spielern nicht dieses Szenario, wie es sich am Samstagabend nach der uneinholbaren 3:0-Führung anbahnte, vor Augen gehabt? Das würde allerdings einen Mangel an Erfahrung und Erkenntnis zeigen. In der langen Geschichte des Davis-Cups hatte es diese Situation schon mehr als hundert Mal gegeben. Am Anfang der Davis-Cup-Historie waren die Verpflichtungen noch weniger komplex: die TV-Medien spielten kaum eine Rolle, die Printmedien hatten Tennis noch als Sport der Adligen verkannt und die Tennisspieler freuten sich noch, sich mit ihren internationalen Gegnern individuell messen zu dürfen – unabhängig von dem Stand des Nationen-Vergleiches. Diese Zeiten sind vorbei. Das weiß auch DTB-Präsident Altenburg, der sich von Anfang an als Liebhaber des Zeitgeistes dargestellt hat. Ist die  Distanz zu seinen Akteuren zu groß, um sinnvoll auf sie einwirken zu können?

Wir beenden unsere Fragen mit einer pragmatischen Forderung: in Zukunft sollte der DTB mit seinen Davis-Cup-Repräsentanten klare und detaillierte Verträge aushandeln, die alle Eventualitäten umfassen. Damit wir nach glorreichen Siegen auch hinter her noch Spaß haben.

P.S.

Da Charly Steeb als Tennisfachmann nicht mehr zur Verfügung steht, sollte der DTB so schnell wie möglich einen Verhandlungsführer präsentieren, der sich in der komplexen und sensiblen Welt des internationalen Profitennis auskennt und der von den deutschen Spielern respektiert wird.

 

Für alle Tennisromantiker, die gerne an das vergangene Wochenende zurück blicken möchten,  haben wir noch ein Video mit den Highlights vom erfolgreichen deutschen Doppel.

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