“Mit Teamgeist in eine bessere Tennis-Zukunft”

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Tennis ist Einzelsport. Wirklich? Der organisierte Spielbetrieb der Vereine findet bundesweit in Teamwettbewerben statt – von der Kreisklasse bis in die Bundesliga. Die Zahl der deutschen Tennisspieler/innen, die in Mannschaften ihren Sport wettkampfmäßig ausführen, ist weitaus größer als die Zahl der Akteure, die als Individuen an Turnieren teilnehmen.

Das Doppel, das in unseren Landen imagemäßig ein stiefmütterliches Dasein fristet, ist eine Wettkampfform, die Abstimmung auf den Partner, also Teamgeist, voraussetzt, wenn man erfolgreich agieren will.

Die Definition des Begriffes „Teamgeist“ aus der Internetquelle „Wikipedia“ kann die weitreichende gesellschaftliche Bedeutung dieser Eigenschaft, aber auch seine besondere Rolle im Sport, verdeutlichen: „Teamgeist ist eine positive soziale Eigenschaft einer Gruppe von Menschen oder einer Mannschaft, meist im Sport. Das Team steht zusammen, um eine bestimmte Aufgabe erfüllen zu können. Das Wir steht dabei im Vordergrund und nicht das Ich. Teamgeist ist eine starke Form des Wir-Gefühls, die sich in gegenseitiger Unterstützung der Gruppenmitglieder ausdrückt.“

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Teamgeist ist eine Eigenschaft, die in unserem politisch-sozialen System eine wichtige Funktion hat, wenn es um das Verständnis für den Anderen, um Kommunikation, um Zusammenarbeit, um demokratisches Verhalten geht. Der Sport ist das ideale Feld, auf dem in spielerischer Form dieser gesellschaftlich relevante Aspekt eingeübt werden kann.

Teamgeist ist aber auch für den Einzelsportler im Hochleistungstennis wichtig, wie wir in anderen Posts schon herausgearbeitet haben: Der Profi spielt über das Jahr hinweg fast ausschließlich in der Fremde, muss sich in diese unbekannten Kulturen einleben, muss in einem Sprachraum kommunizieren, der zu Missverständnissen beitragen kann. Um sich hier optimal zu orientieren, ist ein Partner von Vorteil. Für eine nachhaltige Partnerschaft ist Teamgeist die wichtigste Voraussetzung. Teamgeist auf internationalen Turnieren fördert die individuelle Leistung!

In den letzten Wochen wurde uns  im Tennis-Spitzensport die Bedeutung des Teamgeistes deutlich vor Augen geführt: da tritt eine deutsche Fed-Cup-Mannschaft mit Teamplayern wie Andrea Petkovic und einem Teamchef, der Respekt und Vertrauen innerhalb der Mannschaft genießt, in Bratislava an, feiert einen großen Sieg und stellt sich rundum positiv in der Öffentlichkeit dar.

Eine Woche zuvor spielte das deutsche Davis-Cup-Aufgebot mit großem sportlichen Erfolg gegen Spanien und der Mangel an Teamgeist einzelner Spieler führte zum bekannten Eklat, der dem deutschen Tennis einen schweren Imageschaden zufügte.

Diese beiden Ereignisse sind ausführlich in sämtlichen Tennisforen diskutiert worden. Wir sollten aus diesen Erfahrungen lernen und uns fragen, wie Teamgeist im deutschen Tennis in Zukunft entwickelt werden kann.

Beginnen wir bei der Basis: Im deutschen Tennisunterricht – schon bei den Kindern – sollte das Doppelspiel in Zukunft wieder eine größere Rolle spielen. Ohne viele Worte lernen hier die Kinder Abstimmung mit dem Partner und eine Kommunikation, die auf ein gemeinsames Ziel gerichtet ist.

Darüber hinaus sollten die Vereinstrainer darauf achten, dass bei den erfolgreichen Talenten „die Bäume nicht zu früh in den Himmel wachsen“. Stellt sie gegen andere Spieler/innen des Vereins (auch wenn sie etwas älter sind), die noch stärker sind. Bei diesen Wettkämpfen lernt man Bescheidenheit, lernt sich selbst realistisch einzuordnen und sieht darüber hinaus auch deutlich die Mängel, an denen noch zu arbeiten ist.

Gebt diesen herausragenden Talenten Verantwortung für ihre Tennis-Peer-Group. Setzt sie als Coach ihrer Mitspieler auf die Bank bei den Punktspielen, gebt ihnen Aufgaben, die ihre Trainingsgruppe fördern. Erteilt ihnen zum Beispiel den Auftrag, Trainings- und Spieltermine untereinander außerhalb der geregelten Vereinstrainingsstunden zu organisieren. Mit diesen Maßnahmen wird Verantwortung übernommen, ein gemeinsames Ziel gefördert und der Blick auf die Mitwelt geschult.

Kommen wir zum Spitzensport Tennis: Die Fed-Cup-Mannschaft trat als Vorbild in Hinsicht auf Teamgeist auf. Dieses Auftreten ist natürlich gewachsen. Da kommuniziert Andrea Petkovic mit ihrer Konkurrentin Angie Kerber, um eine Trainingsgemeinschaft zu gründen, von der auf lange Sicht beide Spieler profitieren. Da ist mit Barbara Rittner ein Teamcoach, der sich kontinuierlich um seine Kaderspielerinnen kümmert. Der Trainingspläne abspricht, der weiterführende Kontakte herstellt und der auch ein Ohr für kleine private Sorgen seiner Schützlinge hat. Bei großen Turnieren sorgt sie dafür, dass das Team sich trotz der individuellen Ziele auch hier und dort gemeinsam trifft. Mit Weitblick bringt sie die nachfolgende Generation mit den aktuellen Topspielern zusammen.

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Wenn wir versprochen hatten, in unseren nächsten Post Lösungsvorschläge zu liefern, so gibt Barbara Rittner unserer Kreativität wenig Raum: sie handelt aktuell in Sachen Teamgeist mustergültig. Sie hat die Gefahr der Zersplitterung von Trainingsgruppen erkannt – und gebannt.

Das Auftreten des Herrenteams gibt uns viel mehr Möglichkeiten für Verbesserungsvorschläge…

Von vielen Seiten wird hier gefordert, die unverantwortlichen Spieler aus dem Kader zu werfen. Das klingt einfach, gerade wenn man den kurzfristigen Erfolg außer Acht lässt. Der Erfolg entscheidet in unserer schnelllebigen Zeit aber über das Image der jeweiligen Sportart. Suchen wir also nach Maßnahmen, die unabhängig von personellen Entscheidungen den Teamgeist der männlichen Profis fördern könnten.

Erster Schritt: die Vorbereitungszeit vor wichtigen Davis-Cup-Matches sollte verlängert werden. Andere Nationen machen das vor: sie treffen sich teilweise bis zu einer Woche vor dem entscheidenden Spiel. Spieler, die noch in den Endspielen ihrer jeweiligen Turniere stehen, kommen unverzüglich nach. Unterschiedliche gemeinsame Aktivitäten können während dieser Vorbereitung dazu beitragen, miteinander zu kommunizieren. Andere Sportarten können unseren Verantwortlichen bei den teambildenden Maßnahmen als Wegweiser dienen. Mannschaftssportarten wie Fuß-, Basket- oder Volleyball, in denen das harmonische Zusammenspiel der Individuen zum gemeinsamen Erfolg führt, machen auch unseren Spielern Spaß. Wir wissen, dass zum Beispiel Fußballtennis als Auflockerung seit Jahrzehnten zum Programm der deutschen Davis-Cup-Teams gehört, aber die oben genannten mannschaftsbildenden Spiele sollten einen größerem Raum in der zukünftig verlängerten Vorbereitungszeit finden. Auch außergewöhnliche gemeinsame Aktivitäten wie Freeclimbing oder Curling hätten eine besondere Funktion, weil sie dazu beitragen, dass die Spieler sich gegenseitig unterstützen müssen. Spätestens beim risikoreichen Freeclimbing begreift auch der letzte „Zauberlehrling“ am eigenen Leib, wie Teamgeist ihm bei seinen individuellen Leistungen helfen kann.

Darüber hinaus sollte gewährleistet werden, dass der Team-Captain kontinuierlich über die Saison hinweg mit seinen Spielern und ihren Verantwortlichen(!) kommuniziert. Der Kapitän sollte zumindest bei allen Grand-Slams und bei den großen deutschen Turnieren vor Ort sein und seine Kaderspieler – und die nachfolgende Generation! – aktiv begleiten. Regelmäßige gemeinsame Treffen der Trainer und Kaderspieler in einem „deutschen Haus“ in den verschiedenen internationalen Turniermetropolen könnten dafür sorgen, dass das Miteinander gefördert wird und die Identifikation mit einem gemeinsamen Ziel stärker entwickelt wird.

Das Präsidium des DTB sollte in Zukunft dafür sorgen, dass dem Teamkapitän „der Rücken gestärkt wird“. Dazu bedarf es verpflichtender Verträge mit den Spielern, die alle Eventualitäten berücksichtigen. In diesen Vereinbarungen, die natürlich auch finanzielle Honorierungen beinhalten, sollten auch Maßnahmen oder Strafen gegen Verstöße ausformuliert werden. Durch derartig detaillierte Abkommen hat der Team-Kapitän eine rechtliche Grundlage, die seine Position bei eventuellen Auseinandersetzungen stärkt.

Dieser Post ist sehr lang geworden, obwohl längst nicht alle Aspekte dieses Themas Eingang in den Text gefunden haben. Denken wir jetzt nicht weiter über Möglichkeiten nach, ergreifen wir sie! So schnell wie möglich…

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