“Steht die Schule dem Leistungstennis im Weg?”

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In unseren vorausgegangenen Ausführungen zu den aktuellen Problemen des Tennissports haben wir in unserem Blog bereits auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die Kinder und Jugendliche bewältigen müssen, um neben der Schule ihrem (Leistungs-) Sport nachzugehen. Diese Thematik soll in diesem Post näher erläutert und mögliche Auswege aus dem Dilemma des Nachwuchssports aufgezeigt werden.

Der Sport in Deutschland ist in unserer heutigen Zeit einem Wandel ausgesetzt: viele Veränderungen der sozialen und politischen Begebenheiten prägen eine ausdifferenzierte Sportlandschaft, die der individualisierten Gesellschaft Rechnung trägt. Jeder Bürger hat beinahe rund um die Uhr die Möglichkeit, den Sport seiner Wahl zu betreiben. Das Angebot ist gegenwärtig so groß, dass Tennis sich gegen viele neue Konkurrenten behaupten muss.

Die Kinder und Jugendlichen können aber nur eingeschränkt von dieser Situation profitieren: Durch die Strukturreformen der Schulen, die sich durch ihren Ganztagsbetrieb oder dem „Turboabitur“ (G8) in höherem zeitlichen Umfang dem Nachwuchs annehmen, bleibt die Freizeit und mit ihr auch das Sporttreiben häufig auf der Strecke.

Dieses Problem ist im Breitensport, in dem die Kinder ein oder zwei Mal pro Woche zum Sport gehen, mit gutem Zeitmanagement noch zu bewältigen. Hier treten allerdings Probleme bei der Platzauslastung der Tennisvereine auf: die Abendstunden sind durch die Berufstätigen und das Mannschaftstraining belegt, die sonst für das Jugendtraining eingeplanten Stunden am Nachmittag können nicht mehr genutzt werden. Leere Plätze am Nachmittag und Konflikte am Abend sind vorprogrammiert und schon Alltag in deutschen Tennisvereinen!

schultennis

Sportartübergreifend ist es aber fraglich, wie junge Leistungssportler ihren Traum verwirklichen können, da ihr Streben einen höheren Trainingsumfang verlangt und eine geistige Frische und physische Fitness während der Einheiten voraussetzt.

Wie sollen Jugendliche nach einem Schultag von 8 – 15 Uhr und anschließenden Schularbeiten noch motiviert, energiegeladen und voller Freude zum körperlich und geistig herausfordernden Sport gehen?

Viele Trainer kennen die leidige Erfahrung, dass ihre Talente nach Schule und Essen ausgelaugt auf dem Platz zum Training erscheinen. Da dauert es oft bis zur zweiten Hälfte der Trainingseinheit, bis der Spieler die nötige Energie für Konzentration und motorische Koordinationsleistungen bereit stellen kann.

Ein Nachwuchsspieler muss jeden Tag die Chance haben zu trainieren, um den vielfältigen Anforderungen, die der Leistungssport von den Talenten abverlangt, gewachsen zu sein. Andernfalls fehlen die Grundlagen, um später im nationalen und internationalen Vergleich mitzuhalten. Einige privat geführte Tennisakademien in der Bundesrepublik haben diese Problematik erkannt. Sie arbeiten eng mit lokalen Schulen zusammen und bieten ihren Spielern gute sportliche Trainingsmöglichkeiten und eine solide schulische Ausbildung. Es gibt bundesweit aber nur wenige professionelle Akademien. Da es kommerzielle Institutionen sind, kommen nur wenige privilegierte Talente in den Genuss dieser Art von Förderung.

Um denen zu helfen, die fernab von diesen Akademien ihren Tennissport ausüben und deren soziale Lage keine hohen finanziellen Investitionen erlauben, ist ein massiver Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Vereinen nötig. Sportlich ambitionierte Kinder müssen die Chance bekommen, einen Trainingsumfang zu absolvieren, der einen erfolgreichen sportlichen Werdegang und einen guten Schulabschluss ermöglicht.

Eine Möglichkeit der sportlichen Förderung im Einklang mit der schulischen Ausbildung sind Sportinternate. Mit dem Nachteil, dass Kinder von ihren Familien unter der Woche getrennt werden und sich wieder nur wenige Eltern finanziell dieses Privileg leisten können.

Ein anderer guter und unbedingt auszubauender Ansatz sind die Eliteschulen des Sports. An momentan 41 Schulen in Deutschland wird in Kooperation mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) den Schülern ermöglicht, ihren gewünschten Schulabschluss zu erlangen und nebenbei ihren spezifischen Leistungssport auszuüben. Das Training wird in den Stundenplan integriert und von den zuständigen Landesverbänden oder Olympiastützpunkten durchgeführt.

Für Schüler, die in der näheren Umgebung wohnen, ist dies sicher eine optimale Voraussetzung für sportlichen Erfolg. Andere haben  ein logistisches Problem: aufgrund der noch zu geringen Anzahl an Schulen müssen viele Schüler lange Wege auf sich nehmen und haben Schwierigkeiten ihre Sportart in ihrem vertrauten Umfeld im heimischen Verein nachzugehen. Beispielsweise besitzen Hamburg und Schleswig-Holstein lediglich eine Eliteschule des Sports, an der Leistungs-Tennisspieler in ihrem sportlichen Werdegang unterstützt werden. Bedenkt man die Größe der Bundesländer und die Verkehrssituation zur „Rush Hour“ kann ein Schulweg schnell über eine Stunde dauern. Addiert man den zeitlichen und finanziellen Aufwand der betroffenen Eltern über einen Monat oder ein Jahr, kommen Summen zum Vorschein, die eine vielversprechende Karriere schon früh im Keim ersticken können.

Eine Lösung, die für mehr Kinder optimale Bedingungen schafft, wäre die engere Kooperation der Schulen mit den Sportvereinen. Eine freiere Einteilung des Nachmittagsunterrichts, die es im Leistungssport engagierten Jugendlichen ermöglicht, ihre spezifische Sportarten unter fachlicher Anleitung und mit adäquaten Spielpartnern nachzugehen, würde hier Abhilfe schaffen. Es wäre somit Aufgabe der Städte und Kommunen, einen Dialog zwischen Schulen und Vereinen zu fördern, entsprechende Maßnahmen zu koordinieren und finanziell zu unterstützen.

Bildung und eine vielseitige sowie individuelle Förderung von Kindern und Jugendlichen sind Aufgaben der Institutionen Schule und Verein. Es sollte folglich selbstverständlich sein, dass diese Einrichtungen im Sinne der Heranwachsenden gemeinsam an der optimalen Förderung und Entwicklung teilhaben. Um Zeit zu gewinnen – und das ist wichtig im Interesse der Kinder und Jugendlichen – sollten aus dem Tennis heraus Initiativen gestartet werden, die in Zusammenarbeit mit Schule und Politik Wege aus dem Dilemma entwickeln. Das kann nicht allein Aufgabe der Vereine sein, da muss der DTB als Repräsentant des weißen Sports seiner Führungsrolle gerecht werden!

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