“Leistungstennis können sich die Wenigsten leisten”

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Problemfeld FINANZEN von unserem „Aulandskorrespondenten“ Nico Olguin

Im Rahmen unserer aktuellen Artikelreihe kommen zum Ende auf das allgegenwärtige Thema „Geld“ zurück. Wie so häufig scheitern viele Träume an der monetären Ressource. Vom Breiten- bis zum Hochleitungssport kämpfen die Aktiven und die Vereine um ihre Existenz.

Michael Russel (USA) ATP 82 erzählt in einem Interview (ForbesMagazin vom 26.8.2013), wie schwer das Leben als Tennisspieler außerhalb der (vermeintlichen) Top-Positionen ist. Er wird zum Zeitpunkt des Interviews als 92. der Tennisweltrangliste geführt. In den 15 Jahren seiner Karriere hat er ca. 2,1 Millionen Dollar an Preisgeld verdient. Im Zeitraum von Juni 2012-Juni 2013 hatte er ungefähr 210 000 Dollar Einnahmen, wovon er 60 000 Dollar durch Sponsoren und mit Showkämpfen erwirtschaftet hat.

Den 210.000 Dollar Einnahmen stehen ca. 75.000 Dollar Ausgaben gegenüber, ohne jedoch einen Trainer bezahlt zu haben. Jährlich kommt er auf ca. 35.000 Dollar Reisekosten, 9.000 Dollar Besaitungskosten und ein enormer Anteil an Steuern, den er in fast jedem Land abführen muss, in dem er spielt. Brutto bleiben maximal 100.000 Dollar der Einnahmen übrig. Kein so gut bezahlter Job, wenn es weltweit nur 81 Leute gibt, die ihn besser machen und man bedenkt, dass die Tenniskarriere mit spätestens Mitte 30 endet. Nicht zu vergessen sind eventuelle Verletzungen, die den Spieler weit zurückwerfen können.

Anhand des Beispiels sehen wir: Leistungstennis ist teuer.

tennisgeld

Und hohe Kosten treten schon lange vor dem Durchbruch in das Profitennis auf.

Es bedarf enormer Ressourcen, um Jugendlichen und jungen Erwachsenen überhaupt zu ermöglichen, professionell und konkurrenzfähig Tennis zu spielen. In Frankreich, und seit einigen Jahren in Australien, übernimmt diese Aufgabe der Verband mit Bravour. Fast überall trifft man auf französische Trainingsgruppen (Teamgeist), die das ganze Jahr (Kontinuität) mit einem Verbandstrainer von Turnier zu Turnier reisen, während der Deutsche auf sich allein gestellt zu sein scheint. Verbandstrainer, die mit einer Gruppe Nachwuchshoffnungen um die Welt tingeln, sind nicht für den DTB aktiv.

Zu beachten ist, dass es (!) in jedem Fall leichter ist, mit einem Grand-Slam-Turnier im Rücken einen Tennisverband zu leiten als ohne. Denn ein Grand-Slam hat in der Vergangenheit ein gutes Image für den Sport und dadurch auch große Mengen an Geld eingebracht. In Australien haben die Australien Open bewirkt, dass pro Nachwuchshoffnung ca. 50.000 – 60.000 Euro jährlich investiert werden können. Es wurde eines der modernsten Trainingszentren, mit allem was des Tennisspielers Herz begehrt, gebaut: 34 Outdoor-Plätze, von denen 26 Hard- und 8 Sandplätze sind, Einrichtungen mit mehreren Fitnessräumen, Massageräume (mit therapeutischer Betreuung), Eisbad, …

Für den DTB sind diese Zustände weit entfernte Phantasien. Der DTB träumt in Sachen Finanzen von längst vergangenen Zeiten! Das ehemalige Leistungszentrum in Hannover kann sich keinesfalls  mit den australischen oder französischen Trainingsanlagen messen.

Unmöglich ist es jedoch nicht als Deutscher in die Top 100 zu kommen. Zurzeit haben wir: acht Top-100 Spieler, die Franzosen 12. Top-30 Spieler haben wir 2, unsere Nachbarn 5. Unter den TOP 10 haben wir niemanden, die Franzosen 2. (2 weitere waren vor wenigen Jahren bereits TOP 10)

Vielleicht sollten wir etwas daran ändern, dass nur von Privatpersonen unterstütze Spieler eine Chance auf den Tennisthron haben. Ein Vergleich zwischen Tennis und Fußball ist schwierig, aber im Volkssport Fußball kann es jeder nach oben schaffen: man ist viel weniger von den finanziellen Ressourcen abhängig als beim Tennis

Was bedeutet das für das deutsche Tennis?

Ein Ansatz:

Boris Becker und Stefanie Graf haben ein riesiges Erbe hinterlassen. Die Erwartungshaltung der Deutschen ist enorm hoch.

Vielleicht bedarf es einer neuen Herangehensweise. Folgendes Model, praktiziert von einem Tennistrainer in Hamburg, ist vielleicht wegweisend:

Er ist in die Schulen im Umkreis von seinem Tennisclub gegangen und hat dort kostenfrei oder gegen eine geringe Aufwandsentschädigung den Schülern Tennistraining gegeben. Das Resultat lässt sich sehen: Der Verein will/muss eine neue Halle bauen, um dem Ansturm der  Kinder gewachsen zu sein.

Diese vorbildliche Eigeninitiative haben bundesweit auch andere Tennistrainer – vielleicht hier und da mit etwas geringeren Erfolg – unternommen. Ist diese Breitensportaktivität nicht auch eine Empfehlung für den Spitzensport? Kann ein Trainer in Zusammenarbeit mit einem wirtschaftlich kundigen Mitarbeiter nicht ein Talentteam zusammenstellen, Sponsoren suchen und bei erfolgreicher Akquisition mit der Gruppe auf Turnierreise gehen? Wenn man sich die Mühe macht, die lokale Presse über dieses Projekt kontinuierlich zu informieren, sammeltman Sympathiepunkte und die Chance ist groß, noch mehr finanzielle Unterstützung zu erhalten. Wir kennen Tennisprofis aus dem Ausland, die aufgrund ähnlicher Projekte heute auf höchstem Niveau um Weltranglistenpunkte spielen können. Wenn sie von den Anfängen erzählen, kommen sie ins Schwärmen. Immer wieder heben sie den Trainer für seinen risikobereiten Einsatz heraus und teilen ihre persönliche Anerkennung und Dankbarkeit mit.

Wenn man Erfolg haben will, muss man investieren. Als erstes muss man Zeit investieren. Dann muss man Herzblut und Begeisterung für den Sport und die hoffnungsvollen Talente haben. Darüber hinaus muss man kurzfristig auf hohe Einnahmen verzichten. Auch Risikobereitschaft gehört also zu so einem Tennis-Unternehmen. Allerdings: Wenn man erfolgreich ist, erhält man auch eine umso höhere finanzielle Belohnung.

Fehlt unseren Trainern dieses risikobereite pädagogische Engagement, dessen Traum es ist, herausragend talentierten Jugendlichen dabei zu helfen, ihre Kapazitäten voll auszuschöpfen? Sind wir in unserem Land nicht zu sehr auf Sicherheit bedacht (German Angst)? Sind unsere Trainer zu sehr von der Vollkasko-Mentalität, wie Soziologen den Handlungsstil unserer Mittelschichtbürger kritisch beschreiben, zu stark infiziert?

Wir erwarten als Trainer von unseren Schülern, dass sie alles geben, dass sie Schritt für Schritt neue Herausforderungen annehmen, dass sie nie ihren Traum vergessen. Müssen wir nicht gerade deshalb als Trainer diese außergewöhnliche Einstellung selbst vorleben?

Das klingt idealistisch. In anderen Ländern ist es aber schon real geworden.

Wir wollten über Finanzen diskutieren und schreiben über romantische Projekte, die in unserer neoliberalen Welt von vielen belächelt werden. Die Spötter vergessen eines: Jedes erfolgreiche wirtschaftliche Unternehmen hatte eine Voraussetzung: es gab eine außergewöhnliche Vision. Um diese Vision zu realisieren, muss man zuerst Vertrauen in den Erfolg dieses Projekts haben, dann zielgerichtet und engagiert handeln und andere von dem Gelingen des Unternehmens überzeugen. Auf dieser Stufe kommen dann die Finanzen in das Spiel und tragen dazu bei, dass nun unter besseren Voraussetzungen der Erfolg wahrscheinlicher wird.

Bevor wir Finanzierungen fordern, sollten wir zuerst durch eigene Leistungen das Interesse bei anderen wecken, Geld in das Projekt Tennis zu investieren!

Zum Schluss sachliche und konkrete Lösungsschritte:

Nichts ist unmöglich!

1.     Nationales Tennis-Image kreieren

2.     Breitensport und Spitzensport mit viel Liebe aufbauen

3.     Interesse in der Bevölkerung und bei den Sponsoren wecken

4.     Aufgrund von darstellbaren Leistungen Geld in der Wirtschaft akquirieren.

Ran an die Imagepflege…

Nico Olguin

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