„Unser Konzept ist auf Spaß ausgerichtet. Es soll den Spielern auf den Courts und abseits des Platzes viel Freude bereiten.“ (Mahesh Bhupathi)
Den größten Hype im internationalen Tennis löst gegenwärtig die „International Tennis Premier League“ aus. In den Umkleideräumen der Tennisprofis bei den großen Turnieren in diesen Wochen ist das Vorhaben Gesprächsstoff Nr. 1, in den Fachzeitschriften entzünden sich heftige Debatten. Da lohnt ein Blick auf die zugrunde liegenden Strukturen dieses noch etwas kryptischen Unternehmens.
Die Idee stammt von dem indischen Doppelspezialisten Bhupathi, der nach Beendigung seiner Tenniskarriere sich jetzt als Sportmanager präsentiert. Für dieses neue Event, das so neu gar nicht ist, weil ein analoges Modell sowohl im Hockey, als auch im Kricket schon längst realisiert ist, hat sich der Inder einflussreiche Mitarbeiter gesichert: Fest eingebunden ist der ATP-Spielervertreter Justin Gimmelstob. Dahinter steht kluge Strategie: Die Spielergewerkschaften der ATP und WTA nehmen jetzt eine Überbeanspruchung oder sogar ein „Burnout“ ihrer Spieler/innen hin, weil sie sich bei den Akteuren mehr als unbeliebt machen würden, wenn sie ihnen diese zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten nehmen.
Mit Boris Becker, dem neuen Coach von Djokovic und Nadals Manager Benito Perez-Barbadillo sind zwei weitere einflussreiche Personen im ITPL-Stab. Da überrascht es kaum, dass Nole und Rafa schon jetzt ihre Teilnahme zugesagt haben.
Chief Exekutive dieses Megaevent-Projekts ist Morgan Menahem, der Manager von Jo-Wilfried Tsonga. Ach ja, Jo-Wilfried ist natürlich auch von Anfang an dabei.
Anlässlich der Klagen aller dieser Teilnehmer, dass die ATP-und WTA-Turnierserie viel zu lang, viel zu belastend ist und sie jetzt in der Regenerationszeit plötzlich mit Begeisterung zum Racket greifen, könnte man den Eindruck gewinnen, dass ihre Manager etwas unverantwortlich mit der Karriere ihrer Sportler umgehen. Dass für die „Big Show“ und für „Big Money“ verantwortungsvolle Verhaltensweisen außer Acht gelassen werden.
Den Vorbehalt, dass die Premier League als Post-Season-Event die Gesundheit der Aktiven nachhaltig schädigen könnte, wischt der indische Neumanager mit folgendem Argument vom Tisch: „Die Spieler kennen ihren Körper sehr gut, sie entscheiden am besten über ihn!“. Das klingt richtig, wenn die Spieler wirklich über ihre Körper entscheiden würden – und nicht ihre Manager…
Dem nächsten Vorwurf, dass die ITPL eine gigantische Show-Veranstaltung ist, entgegnet der Inder mit lakonischen Sätzen, die zum Nachdenken anregen: „Die ITPL ist ein ernst zu nehmender Wettbewerb. Das Wort Show ist im Zusammenhang mit der „Tennis Premier League“ ein Tabu!“. Tabu ist ein ursprünglich religiöser Begriff, der von vornherein sich einer kritischen Nachfrage entzieht. Ob diese Aussage einer westlich aufgeklärten Weltanschauung standhält, ist zumindest zweifelhaft.
Die Argumentation der ITPL erinnert uns an ein Zitat aus dem bekannten Film „Truman Show“, der kritisch hinter die Kulissen des „Show-Business“ schaute: „Nie sieht man irgendetwas. Die dunkeln immer ab und ziehen den Vorhang vor.“
Am Wochenende wurden die Stars ihren Teams in Dubai anlässlich einer Versteigerung zugeführt. Nole, Serena, Ana und Rafa kamen „unter den Hammer“ des Auktionators. Hier verfestigt sich der Eindruck, dass Spieler und Spielerinnen wie Ware behandelt werden.
Sachdienlicher ist die Aussage Nole Djokovics in Hinsicht auf die Perspektiven dieses neuen Tennis-Wettbewerbs: „In Asien giert man nach Weltklassetennis. Da gibt es einen riesigen Markt für Tennis.“ Hier ist das Motiv zu finden, warum ATP und WTA dieses Megaevent dulden und warum die Stars mitmachen, obwohl sie sich der Heuchelei verdächtig machen. „Ich mag neue Ideen“, erklärt der Tscheche Berdych, „die Liga kann unseren Sport attraktiver machen“
Auch in einem anderen Aspekt hat die Premier League des weißen Sports eine interessante Perspektive: Die Fünf-Satz-Serie des Teamwettbewerbs dauere maximal drei Stunden, rechnete Bhapathi seinen Zuhörern anlässlich einer Präsentation vor, und sei somit perfekt für überschaubare Fernsehübertragungen. Die größte Klage der Fernsehanstalten sei doch immer gewesen, dass man keine Kontrolle über die Dauer die Spiele hat. Dem wirke das System der ITPL“ deutlich entgegen. Bhupathi versteht sein Geschäft – hohe TV-Einnahmen winken.
Weil man die Stars braucht, nimmt das Konzept der „ITPL“ Rücksicht auf die Protagonisten. Am letzten Wochenende hat Rafa Nadal öffentlich seine Teilnahme zugesagt. Was bisher eher im Geheimen diskutiert wird, ist die Art seines Auftretens. Es wird gemunkelt, dass er nur an einer Heimspiel-Serie seines Teams teilnimmt. Dann fliegt er in die Sonne, kann mit adäquaten Partnern trainieren, spielt drei Mal kurze Matches gegen die Vertreter der anderen asiatischen Teams, kassiert dafür jeweils 1 Million Dollar, wie jetzt bekannt wurde und fährt dann frohgemut nach Hause und bereitet sich sinnvoll auf die neue Saison vor. Murray, der als Investor in die IPTL eingetreten ist und auch schon seine Zusage als Spieler abgegeben hat, erklärt seine Einstellung: „Ich habe zugesagt, drei Nächte an einem Ort zu spielen. Da muss ich nicht quer durch den ganzen asiatischen Kontinent reisen. Wenn ich eine Woche Camp an einem Ort mache, an dem es warm ist, beste Trainingsvoraussetzungen herrschen und ich gegen die besten Spieler der Welt matchen kann, dann ist das doch sogar noch besser als in Miami, wo ich mich sonst aufhalten würde.“
Da hat er recht, das ist eine ideale und hochbezahlte Turnier-Vorbereitung. Aber das klingt nicht nach ernsthaftem Wettbewerb und Leistungsvergleich. Wird das aber nicht von dem Publikum in Asien erwartet?
Max Eisenbud, der Manager von Li Na, die sofort abgesagt hatte, vertritt die sehr deutliche Haltung vieler Experten, die nicht wissen, wie das Konzept funktionieren soll. „Aber ich hoffe, ich irre mich”, so Eisenbud.
Roger Federer nimmt vorerst auch nicht teil. Er begründete das damit, dass er sich das ganze Geschehen erst einmal genauer anschauen werde.
Das ist eine vernünftige Einstellung, die auch für die Skeptiker außerhalb des ATP- und WTA-Circuits richtungsweisend sein sollte.
Zum Schluss müssen wir doch noch einen kritischen Aspekt anführen: Nach unserem Wissen liegt in den Modellen Kricket, Hockey und Tennis ein elementarer Unterschied: Hockey und Kricket werden hier nach den gültigen Regeln der jeweiligen Sportarten gespielt, das Tennis nur wie ein „Schleifchenturnier“ über einen Satz pro Match.