Nach dem Spiel von Baghdatis gegen Kohlschreiber war ich gezwungen, mir ein Doppel-Match zwischen Marach/Tursunov und Gonzalez/Lipski anzuschauen. Santiago Gonzalez war der einzige mexikanische Teilnehmer in Miami und mein Begleiter und Teamkollege Everth wollte unbedingt seinem Landsmann zur Seite stehen. Anfangs wünschte ich mir, dass ich mit ähnlichem Enthusiasmus das Match verfolgen könnte, wie es mein mexikanischer Freund demonstrierte. Völlig überraschend präsentierte sich aber bald dieses Doppel als ein faszinierender Thriller, der sogar mich in den Bann zog. Gonzalez und Lipsky waren im Champions-Tiebreak des entscheidenden Satzes mit 9:2 in Führung gegangen. Aber Mexikaner haben wohl eines gemeinsam: sie verkrampfen bei entscheidenden Punkten. So auch Gonzalez: Drei leicht verschlagene Überkopfbälle und ein Doppelfehler sprechen für sich. Die Konsequenz war der Verlust des Matches mit 9:11. Mein Freund verließ die Zuschauerränge mit niedergeschlagenem Kopf und gab sich seinem tragischen Schicksal hin.
Als er sich etwas erholt hatte, gingen wir mit Olli zum Stadion, wo der frühere Tampa-Collegespieler John Isner gegen das hochgelobte Talent Donald Young antrat. John Isner, 2.06 Meter lang, hatte ab und zu mit uns auf dem Campus trainiert, weil Tampa seine Trainingsbasis und sein Wohnort ist. Obwohl Young als der bessere Grundlinienspieler auftrat, war er genau so weit weg von einem Break, wie ich aktuell von meiner Heimat. Isner setzte sich in drei Sätzen durch.
Am nächsten Tag trafen wir in Crandon Park um 12 Uhr mittags ein. In jeder Stunde, die verging, bedauerte ich mehr und mehr, dass ich meine Shorts auf dem Hotelzimmer gelassen hatte. Es war unglaublich heiß und mir rann der Schweiß unter der Jeans wie verrückt die Beine entlang. Mein mexikanischer Teamkollege hatte sich als Hitting-Partner für die Profis bei der Turnierleitung eingeschrieben. Glücklicher Weise brauchte Monfils einen Sparringspartner für das „Warm Up“ vor seinem Match. Was dann auf dem Platz geschah, war ein reiner Scherz. Ich sah die wohl langweiligste Trainingssession meines Lebens. Monfils Bewegungsraum war auf maximal einen Meter in allen Richtungen eingeschränkt. Er spielte die Rückhand nur einhändig, was überraschte, weil er im Wettkampf ausschließlich beidhändig schlägt. Jeden dritten Ball seines Gegenübers spielte er arrogant als Stopp zurück.
Eine Stunde später im Turniermatch hatte sich seine Einstellung nur marginal geändert und er trat auf mit dem Elan und der Begeisterungsfähigkeit eines Buchhalters. Sein Kontrahent, Garcia Lopez, weit hinter ihm auf der Weltrangliste platziert, gewann dann auch mit 6:2 7:5.
Zu Hause hatte ich den Franzosen bei den seltenen Fernsehübertragungen von den großen Tennisturnieren immer bewundert. Seine unorthodoxe Vielseitigkeit, seine dynamische Gewandtheit erschien mir vorbildlich. Sein Auftreten in Miami war leider desillusionierend.
Ein positives Erlebnis war hingegen die Trainingssession von Roger Federer mit Dominic Thiem auf einem entlegenen Platz in Key Biscayne. In dem Moment, als Roger den Platz betrat, versammelten sich Tausende von Zuschauern um den Court. Trotzdem hatten wir alles ganz gut im Blick und wir konnten Federers Brillanz aus der Nähe verfolgen. Die Aura des vielleicht besten Tennisspielers aller Zeiten war deutlich zu spüren. Nach 45 Minuten purer Eleganz beendeten sie die Session und Federer schritt durch die dichtgedrängte Menge mit unglaublicher Ruhe und Gelassenheit.
Wir konnten zuletzt noch die Begegnung des Finnen Jarkko Nieminen mit Aleksandr Dolgopolov miterleben. Court One, der eine 4000-Zuschauerkapazität besitzt, war bis auf den letzten Sitzplatz belegt. Nach einigen enttäuschenden Erfahrungen beim Beobachten der Profis, waren wir am Ende doch fasziniert von der spielerischen Verrücktheit, die der Ukrainer demonstrierte. Ein feines „Stöppchen“ hier, ein hochfliegender „Mondball“ da und dann aus heiterem Himmel eine Rückhand-Rakete. Er bewies uns mit seinem beeindruckenden Auftreten, dass sein letzter Sieg über Nadal absolut kein Zufall war.
Wenn ich die Erfahrungen unseres Trips zusammenfasse, muss ich sagen, dass wir wirklich Spaß und beeindruckende Erlebnisse bei diesem phantastischen Turnier gehabt haben. Ich kann Miami nur mit dem ATP 500-Turnier in Hamburg vergleichen, aber trotz allem hanseatischen Patriotismus muss ich gestehen, dass wir einiges von den Amerikanern lernen können, in der Art wie sie große Events organisieren. Obwohl nicht immer hochklassiges Tennis geboten wurde und manchmal überwältigende Emotionen in den Wettkämpfen fehlten, haben die Turnier-Veranstalter es geschafft, eine einmalige Atmosphäre auf die Beine zu stellen. Die Leidenschaft und die anspruchslose Begeisterung des Publikums auf den Plätzen waren ebenso überwältigend. Auch die ausgelassene Freude und Partystimmung der Besucher in den Parks und Restaurants im Crandon Park wirkte ansteckend.