2. Teil: Die Wir-Perspektive
Unser Davis Cup-Kapitän hatte seinen Vortrag in Göttingen über die Rolle des Trainers im Leistungssport in zwei Abschnitte geteilt. Im zweiten Teil referierte er über das Thema aus der Wir-Perspektive. Diese Perspektive umfasst alle Interaktionen zwischen Trainer und Spieler.
In dieser Interaktion sieht Arriens den Trainer idealer Weise als Mentor – als erfahrenen Ratgeber, Anreger und Helfer des Spielers. Er kritisiert die Unselbstständigkeit einiger Profis in der heutigen Zeit und sieht die Aufgabe des Coaches auch darin, den Spieler zur Selbstverantwortung zu erziehen. Um das leisten zu können, ist es wichtig, dass der Trainer „das Zuhören können“ beherrscht. Nur wenn er die Informationen des Partners mit Empathie aufnimmt, bereit ist, routinehafte Wahrnehmungen aufzubrechen und ein realistisches Bild von den gemeinsamen Stärken und Schwächen entwickelt, ist eine erfolgsversprechende Zusammenarbeit möglich. Das sich daraus entwickelnde gegenseitige Vertrauen ist dabei der stabilisierende Faktor der Beziehung zwischen Trainer und Athlet.
Neben der Vertrauenswürdigkeit spielt aber auch der Respekt eine wichtige Rolle. In der Kommunikation zwischen Spieler und Coach müssen immer wieder klare Grenzen abgesteckt werden. Ein gemeinsamer Regelkodex muss erarbeitet werden. Durch souveränes Handeln, durch „ein Wissen, was wichtig ist“, muss der Trainer immer wieder seine Autorität wahren. Um als Autorität wahrgenommen zu werden, muss der Coach präzise formulieren und erklären können. Unklare Sprache führt zu Missverständnissen, zu Unglaubwürdigkeit und damit zum Misstrauen oder Zweifel. Wenn dem Trainer vom Spieler kein Respekt entgegengebracht wird, mutiert er zum „Reisebegleiter“ oder zum „Knecht des Systems“.
Ein wichtiger Faktor in dem Aufbau eines respektvollen Vertrauensverhältnisses ist das sogenannte „Commitment“. Spieler und Trainer müssen sich mit vollem Einsatz und Hingabe ihrer gemeinsamen Aufgabe, ihrem gemeinsamen Ziel, „widmen“. In jeder Sekunde des Trainings und des Wettkampfes sollte diese aufopferungsbereite „Hingabe“ und diese „disziplinierte Verpflichtung“ realisiert werden, um zum außerordentlichen Erfolg kommen zu können.
Zum Ende seines Referats geht Arriens auf die komplexen Anforderungen des Coaches im System Leistungstennis ein: „Es geht um viel mehr als nur um Aufschlag, Vorhand, Rückhand oder Volley.“ Aspekte wie Führung, Konfrontation, Verbindlichkeit, Ernsthaftigkeit und zahlreiche andere Faktoren bestimmen Tag für Tag das Anforderungsprofil eines Trainers von neuem. Trotz dieser hohen Anforderungen sollte der Trainer nie vergessen, dass es ein Privileg ist, auf so einem hohen Niveau mit so außergewöhnlichen Talenten arbeiten zu dürfen. Dass man „tiefe, energiegeladene, fast spirituelle“ Momente erleben kann, die im normalen Leben kaum zu finden sind.
In seinem Schlusssatz zitiert er einen Beobachter des internationales Tennis: „Ich vermisse manchmal das Lachen und die Freude bei den Trainern.“