In zwei Tagen sind wir drei Wochen mit unserem Tennis-Blog im Internet. Wir haben Kommentare, Anerkennung und Aufmunterung von internationalen Fußball-Protagonisten, von Tennistrainern und Spitzenspielerinnen, von jungen Tennisfans und älteren Tennis-Enthusiasten erfahren.
Obwohl noch vieles zu verbessern ist, haben wir schon die Schallgrenze von einer vierstelligen Besucherzahl überschritten.
Das macht (bisher?) richtig Spaß!
Noch ist es ein kleinerer Kreis, der an unserem Projekt aktiv teilnimmt. Einer der fleißigsten Leser hat uns jetzt einen Text geschickt, der es wert ist, als Gastbeitrag gepostet zu werden.
Der Autor ist ehemaliger Direktor eines Gymnasiums und eher Freizeit-Tennisspieler, obwohl sein Ehrgeiz noch immer nach höheren Wettkampflorbeeren strebt. Wir kennen ihn schon länger: Willi hat trotz ihm sein Abitur gemacht, Björn hat sich unendliche Rededuelle mit ihm in den Pinneberger Kaffeehäusern geliefert.
Es entspricht unserem Ziel, einen Gedankenaustausch mit den Personen zu entwickeln, denen die Zukunft des deutschen Tennis am Herzen liegt. Dieser Gastbeitrag kann als erster Schritt dienen – auch als Aufmunterung für andere Leser, die Talent zum Schreiben haben und die etwas zu sagen haben.
Macht aktiv mit – wie Wilhelm Hallberg (77 Jahre), alias Hully Gully, der hier gleich zu Wort kommt.
Dann rockt der Blog!
„HIGHLIGHT ? … !!“
Am Samstag, dem 06.07.13, waren wir ab 15 h Zeugen, wie zwei Tennisspielerinnen aus dem Mittelfeld der Setzliste des weltweit höchstbewerteten Turniers, “Wimbledon”, unter sich ausgemacht haben. Höhepunkt, Highlight ?
Es war eine einseitige Partie. Die Französin Marion BARTOLI gewann in etwas mehr als einer Stunde 6:1, 6:4. Die deutsche Gegnerin, Sabine LISICKI, fand nie zu der Form ihrer sensationellen Matches gegen Serena WILLIAMS (Nr. 1, Achtelfinale) und Agnieszka RADWANSKA (Nr. 4, Halbfinale).
So weit so gut so what.
Aber: Wie formulierte der Reporter des – exklusiv übertragenden – Pay-TV-Senders SKY ? „Egal, wie es hier ausgeht – vergesst es nicht gleich wieder, wenn das Turnier vorbei ist: Das deutsche Tennis kommt, es ist wieder da.“ Er dachte wohl auch an die anderen Mitglieder der deutschen Frauen-Tennis-Riege: Angelique KERBER, Andrea PETKOVIC, Julia GÖRGES, Mona BARTHEL, Annika BECK, die alle schon mit den Hufen scharren und uns möglicherweise bald Ähnliches bescheren wie Bumm Bumm Bine in Wimbledon.
Denn eine Bescherung war es, trotz und gerade wegen allem.
Die Analysten hatten LISICKI zur Favoritin stilisiert (besserer Aufschlag, dynamischere Spielweise, unwiderstehliche Vorhand …), die englische Boulevardzeitung “SUN” wurde sogar zitiert mit ” … gegen Schlafmütze BARTOLI”.
Aber: Es gibt keine Erbhöfe, im (Spitzen-)Sport nicht, nicht im Leben und überhaupt nicht. Alles muss erarbeitet, erkämpft, den Widerständen abgerungen werden. Kannten wir das nicht schon? “Ohne Fleiß kein Preis” (Volksmund), “Vor die Vollkommenheit haben die Götter den Schweiß gesetzt” (altgriechisch, HESIOD), “Ein Mensch, der nicht geschunden wird, wird nicht gebildet” (altgriechisch, MENANDER) … zitiert man immer mal wieder, wenn es denn zu passen scheint. Hier aber, auf dem Center Court in Wimbledon, wurde es mit-erlebbar.
Die Favoritin kämpfte, rannte, mühte sich – und prallte ab an der gnadenlosen Konsequenz ihrer konzentrierten Gegnerin, die – mit der günstigeren Auslosung – ohne Satzverlust ins Finale gestürmt war und auch hier nichts anbrennen ließ.
Und WIR ? Wir vergaßen unsere Enttäuschung über die fehlende Spannung, über das Versagen unserer Identifikationsfigur, wurden hineingezogen in das menschliche Drama, nahmen angerührt und empathisch teil an dieser Niederlage:
Sie wollte gewinnen, sie WOLLTE die Championship, sie WOLLTE ihren Eltern, ihren Trainern, ihren Helfern, ihren Fans, den Zuschauern bei diesem großen Sportereignis etwas bieten: Das war der Anspruch dieser früh gereiften mündigen Sportlerin an sich selbst. Sie WOLLTE es mit aller Hingabe, so echt, so authentisch, dass selbst wir am Fernsehschirm es unter unserer Haut spürten – und sie KONNTE es NICHT schaffen, sie spürte es, wir spürten es mit ihr, in einer Art inniger Verbundenheit.
Was war spannender: Die am seidenen Faden hängenden Siege über S.WILLIAMS und über A. RADWANSKA – oder die klare Niederlage gegen M. BARTOLI ?
Dank an den Sport, der uns solche Erlebnisse, solche Erfahrungen vermittelt! Dank an die Briten des 19. Jh., die wohl das Meiste zur Entwicklung der Idee des modernen Wettkampfsports , eines wichtigen kulturellen Phänomens unserer Gesellschaft, beigetragen haben. Ich bin zu alt und zu untalentiert, um noch glänzende Spitzensportsiege anstreben zu können, aber ich lerne im Miterleben, was eine Erdung ist: Die Bäume wachsen nicht in den Himmel, es ist nicht zu jedem Zeitpunkt alles machbar, es gibt Momente, in denen wir unsere Grenzen erkennen und anerkennen müssen.
Ich bin nicht enttäuscht von Sabine LISICKI. Als sie unter Tränen nach dem letzten Ballwechsel die Siegerin umarmte, wusste ich: Sie hat im Nachhinein jede Bewunderung verdient. Bumm Bumm BINE ? Fab SAB!!
Noch eine Anmerkung:
Zitat Volker ZEITLER (WELT 06.07.13, S.1): “… Steffi Graf und Boris Becker waren beim so hübsch überschaubaren Duell auf dem Tennisplatz der Beweis dafür, dass mit Fleiß, Zielstrebigkeit und Leistung bis zum Ende der körperlichen Kraft Großes zu erreichen ist, dass Arbeit keine veraltete Methode ist, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. … Nun spielt und lächelt sich Sabine Lisicki in die Herzen. Sie ist natürlich, sympathisch, familienverbunden. Sie kann aber auch brachial aufschlagen, sie ist immer offensiv und kämpft unermüdlich. Eine selbstbewusste junge Frau, die nie aufgibt. Die mit Herzlichkeit begeistert. Die sich ihrer Gefühle nicht schämt. Die die Engländer zu einer der ihren ehrenhalber ernennen wollen. Die ihrem Sport einen unermesslich wertvollen Dienst erweisen und dem Tennis hierzulande endlich wieder Leben einhauchen könnte … “
Schön wär´s schon … !!