Natürlich hatte es am ersten Tag des Wimbledonturniers leicht geregnet. Ähnlich wie das graue Wetter war die Bilanz der deutschen Teilnehmer gewesen: vier von sieben Tennisprofis waren – nicht unbedingt erwartet – schon in der ersten Runde ausgeschieden. Am zweiten Tag stellten sich fünf deutsche Damen und drei Herren der Herausforderung auf dem Londoner Rasen. Darunter unsere gesetzten Asse Kerber, Petkovic, Kohlschreiber und Lisicki.
Um 11.30 Uhr Ortszeit startete Andrea Petkovic als Erste ihr Match gegen die Polin Katarzyna Piter, die Nummer 101 der Weltrangliste. Die French Open- Halbfinalistin war nur langsam in Form gekommen auf Rasen. „Spätstarter“ Petkovic bestimmt von Anfang an das Spielgeschehen mit Winnern und „unforced errors“. Die junge Polin reagiert anfangs nur. Leider unterlaufen der Darmstädterin mehr Fehler als Gewinnschläge, sie verliert deshalb zum Auftakt ihr Aufschlagspiel, breakt aber gleich zurück.Mit zunehmender Sicherheit in den Schlägen gewinnt sie souverän sechs Spiele in Folge und beendet den Satz mit 6:1. Das Szenario ändert sich nur wenig im zweiten Durchgang, obwohl die polnische Nr.101 der Weltrangliste sich steigert. Petkovic wirkt selbstsicher und verwandelt ihren ersten Matchball zum 6:4 im zweiten Satz. Das deutsche Tennisteam hat mit einem Sieg den Tag eingeleitet. Ein vielsprechender Auftakt für Andrea und für die Erwartungen der deutschen Tennisfans an diesem Tag.
Zeitgleich mit Petko trat Jan-Lennard Struff, Nr.66 der ATP-Rangliste, am späten Vormittag zu seinem erwartet schweren Kampf gegen den Polen Lukasz Kubot, der Nr.72 der Weltrangliste, an. Die Konkurrenten dominieren bis 6:6 in ihren Aufschlagspielen, erlauben dem Gegner kaum Breakchancen. Der Tiebreak muss den Satz entscheiden. Bei 5:6 wehrt Jan-Lennard den ersten Satzball des polnischen Doppelspezialisten ab, muss den 1.Durchgang aber mit 6:8 abgeben. In den nächsten Sätzen bleibt das Bild unverändert. Am Ende gewinnt Kobut mit insgesamt 2 (!) Breaks die Partie 7:6, 6:4 und 6:4. Struff konnte keinen seiner 7 Breakballe verwandeln. Damit hatten die deutschen Tennisprofis ihre erste – nicht unbedingt zu erwartenden – Niederlage am zweiten Spieltag kassiert.
Der Wimbledonfinalistin vom letzten Jahr, Sabine Lisicki, wurde die Ehre zu teil, auf dem Center Court der Championships den zweiten Tag zu eröffnen. Gegen ihre Konkurrentin, die Israelin Julia Glushko, wollte „Bine“ beweisen, dass sie ihr Leistungsvermögen auch in diesem Jahr wieder auf dem geliebten heiligen Rasen von Wimbledon steigern kann. Die Berlinerin bewies von Anfang an, dass sie sich auf dem Center Court heimisch fühlt. Sie spielte aggressiv und entschlossen. In wenig mehr als einer Stunde stand das bekannte Siegerlächeln von Wimbledon wieder auf ihrem Gesicht. Mit 6:2 und 6:1 hatte sie die Israelin aus dem Turnier geworfen. Das zweite deutsche Ass hat gestochen.
Angie Kerber hatte nach dem Finaleinzug in Eastbourne geäußert, dass sie sich auf Grass jetzt wohlfühle und auf das Turnier in Wimbledon freuen würde. Dieses Selbstvertrauen konnte sie gegen die Polin Urszula Radwanska, der jüngeren Schwester von Agnieszka, unter Beweis stellen. Die Kielerin ging dann auch mit druckvollen Schlägen schnell mit 3:0 in Führung. Obwohl das Mädchen aus Krakau dann variantenreicher und aggressiver agierte, ließ sich Angie bis zum Satzende nicht mehr „das Heft aus der Hand nehmen“ und beendete den ersten Durchgang mit 6: 3. Auch im zweiten Satz beeindruckte Kerber besonders mit ihrer „tödlichen“ Vorhand, dominierte ihre Kontrahentin souverän bis zum 5:2, ließ kurz nach und setzte sich dann mit 6:4 durch. Die dritte deutsche Trumpfkarte hatte den nächsten Stich „unter Dach und Fach gebracht“. Wenn sie im Verlaufe des Turnieres ihren Aufschlag noch etwas verbessert, werden wir noch länger Freude an ihren Auftritten haben.
Julian Reister, der nach langer Verletzungspause sich wieder auf Rang 110 der Weltrangliste gespielt hat, traf mit Michael Russel aus den USA, Nr.94 der ATP-Rangliste, auf einen Erstrundengegner auf Augenhöhe. Der 36-jährige Mann aus Detroit schlug sicher und tief auf und spielte aggressiv, aber Julian setzte Ruhe und Souveränität dagegen. Als er sich die ersten beiden Sätze mit 6:4 und 6:4 gesichert hatte, waren ihm zwei von vier Breakbällen geglückt. Russel konnte bis dato keine seiner drei Breakgelegenheiten nutzen. Der dritte Durchgang wurde dann plötzlich zum Break-Festival – der Tiebreak musste entscheiden. Der Ami setzte sich hier knapp mit 7:5 durch. Auch den vierten Satz musste der Deutsche mit 4:6 abgeben. Im fünften Satz wird der ausgeglichene Kampf mit vollem Einsatz beider Spieler fortgesetzt. Nach 3 Stunden und 46 Minuten Spielzeit verwandelt der „Hamburger Jung“ seinen ersten Matchball zum 6:4 Satz- und Matchgewinn. Gratulation von Herzen, Julian!
Die Serie von drei deutschen Damensiegen konnte Annika Beck, die aktuelle Nr.54 der WTA-Rangliste, gegen die 12 Plätze niedriger eingestufte Chinesin Jie Zheng nicht fortsetzen. Zu brav und defensiv agierte die 2o-jährige Deutsche und verlor chancenlos mit 1:6 und 3:6.
Als letzter Spieler der deutschen Herren an diesem Tag, musste Philipp Kohlschreiber sein Erstrundenmatch gegen den Niederländer Igor Sijsling bestreiten. „Kohli ließ nichts anbrennen“ und schickte seinen Gegner erbarmungslos mit 6:4, 6.4 und 6:2 vom Platz. Neun Asse und vier geglückte Breakbälle reichten dem Augsburger zum mühelosen Einzug in die zweite Runde.
Dinah Pfizenmaier konnte sich gegen die Ukrainerin Lesia Tsurenko, aktuelle Nr.170 der Weltrangliste, eigentlich gute Chancen ausrechnen. Die junge Deutsche begann aber schwach und ließ dann unheimlich stark nach. Eine Unmenge „wilder Fehler“ prägte ihr Spiel im ersten Satz, der mit 3:6 verloren ging. Ohne Gegenwehr und ohne Spielgewinn Dinahs, setzte sich Tsurenko auch im zweiten Satz mit 6:0 durch. Nach Annika Beck die zweite leise Enttäuschung im deutschen Damenteam am Dienstag in Wimbledon.
Die deutsche Bilanz des zweiten Tages im „Tennismekka“ kann als Steigerung interpretiert werden: Fünf Siegen standen bei Anbruch der Dunkelheit drei Niederlagen gegenüber.
„Business as usual“: auch am heutigen Tag setzten sich die Topfavoriten R.Nadal(nach Widrigkeiten im ersten Satz), R.Federer, M.Raonic, S.Williams, M.Sharapova, A. Radwanska, S.Halep und Ivanovic durch. Stan Wawrinka müssen wir Abbitte leisten: Kerngesund und frohgemut gab er in dem Match gegen den guten Rasenspieler Joao Sousa aus Portugal keinen Satz ab und zog überlegen in die zweite Runde. Das wird, wenn er weiter so auftritt, nicht das Ende der Fahnenstange sein.
Als erste Topgesetzte ist bei den Damen die Serbin Jankovic gegen die Estin Kanepi sang- und klanglos mit 3:6 und 2:6 ausgeschieden.
P.S.
Für alle österreichischen Leser, die sich auf unserem Blog verirrt haben: Respekt vor Jürgen Melzer, dessen Match gegen Tsonga gestern bei 1:6, 6:3, 6:3, 2:6 und 4:5 im fünften Satz wegen Dunkelheit abgebrochen werden musste. Die lange Wartezeit und die herausragende Leistung vom Vortag wurde nicht belohnt: In kürzerer Zeit als das Einschlagen in Anspruch nahm, hatte er das nächste Spiel und damit das gesamte Match verloren. Bad luck. Shit happens.