Am vierten Tag des Grand Slams in Wimbledon gingen vier von fünf deutschen Repräsentanten eher als Favoriten auf den Rasen. Bevor wir näher auf ihre Auseinandersetzungen eingehen, sollte die außerordentliche Ausdauerleistung Jo-Winfried Tsongas gewürdigt werden. Der Franzoser steht seit Turnierbeginn ununterbrochen Tag für Tag auf den Turnierplätzen im Tennismekka. Nach seinem dreieinhalb- stündigen Marathonmatch gegen den Österreicher Melzer, hat Jo-Winfried auch im gestrigen Zweitrundenspiel gegen Sam Querry aus den USA wieder kein Ende gefunden. Das Match wurde nach 4:6, 7:6, 6:7, 6:3 und 9:9 im fünften Satz wegen Dunkelheit unterbrochen. In seinem Fortsetzungsspiel gegen Melzer hatte Tsonga nur ein Spiel und eine knappe Minute benötigt, um erfolgreich in die nächste Runde einzuziehen. Diesmal weilte er etwas länger auf dem Court: er benötigte insgesamt acht Spiele, um mit 14:12 als Sieger den Platz zu verlassen. Morgen darf er wieder zur dritten Runde auf den Platz. Training dafür hat er nicht mehr nötig – im Wettkampf hat er ausreichend Rasenerfahrung gesammelt.
Als erster Deutscher ging Philipp Kohlschreiber an diesem Tag auf den Platz. Sein Gegner, der Italiener Simone Bolleli, ist die Nr.132 der ATP-Weltrangliste. “Kohli“ beginnt zögerlich, gewinnt den ersten Satz aber standesgemäß mit 6:4. Im zweiten Durchgang unterlaufen dem Deutschen weiter viele ungewöhnliche Fehler, die Aggressivität und Entschlossenheit fehlt – der Spieler aus Bologna setzt sich mit 6:4 durch. Wer jetzt eine Steigerung des Favoriten erwartet hatte, sah sich getäuscht. Bolleli ging schnell 3:0 in Führung und beendete den Satz mit 6:3. Der Warsteiner griff sich immer häufiger an Schulter und Oberarm. Hatte er sich eine Verletzung zugezogen? Auf jeden Fall nahm er ein „Medical-Time Out“. Im vierten Durchgang kämpft er sich wieder in das Match und entscheidet den Satz mit 6:4 für sich. Das Spiel setzt sich im fünften Satz zwar auf Augenhöhe – aber auch auf niedrigem Niveau fort. Kohlschreiber wird bei 5:5 gebreakt. Der Italiener vergibt anschließend den ersten Matchball mit einem Doppelfehler, beim zweiten Matchball returniert Kohlschreiber den 2.Aufschlag sang – und klanglos in das Netz. Das war symptomatisch für das ganze Match. Positiv ist zu bemerken, dass Kohlschreiber im Interview nach dem Spiel erklärte, dass die Niederlage nicht im Zusammenhang mit seiner Verletzung stehe.
Nachdem das deutsche Tennis die vierte Niederlage in Folge über zwei Tage einstecken musste, hoffte man, dass Andrea Petkovic in ihrem Match gegen die Rumänin Irina-Camelia Begu eine Erfolgsserie einleiten würde. Andrea trat mit dickem Knieverband an, wirkte auch etwas gehemmt bei langen Laufwegen, spielte aber von Anfang an solide und überlegen. Sie nutzte einen einzigen Breakball, um den Satz mit 6:4 zu gewinnen. Im zweiten Satz glitt ihr das Match aus der Hand. Sie geriet früh in Rückstand und musste den Satz mit 3:6 abgeben. Im entscheidenden Durchgang ging sie zum Glück gleich wieder 3:0 in Führung. Bis zum 6:1 gerät ihr Sieg nicht mehr in Gefahr. Auf die Einstellung von Petko kann man sich verlassen: auch leichte Blessuren können ihren Siegeswillen nicht aufhalten.
Sabine Lisicki setzte sich auf Court 3 mit der Tschechin Karolina Pliskova, der Nr.50 der WTA-Rangliste auseinander. Mit „Bumm Bumm“ hatte Bine sofort die Initiative übernommen und den 1.Satz auch sicher mit 6:3 gewonnen. Im zweiten Durchgang zeigte sich, dass Court 3 nicht ihr Wohnzimmer ist. Die leichten Fehler häuften sich (5Doppelfehler!) und die 22-jährige Tschechin kam auf. Nach dem 5:5 punktete Sabine wieder häufiger und zog mit 7:5 in die dritte Runde ein. Der Aufschlag ist noch zu verbessern: er war zwar schnell (7 Asse!), aber nicht konstant genug.
Auf Court 1 spielte Angelique Kerber gegen die Engländerin Heather Watson (Nr.60 der Weltrangliste) und gegen das patriotische Publikum. Angie blieb cool, gewann nach dem 1:1 vier Spiele in Folge zum 5:1. Dann gewährte sie der 22-jährigen Britin einen Aufschlaggewinn und vollendete den 1.Satz mit 6:2. Im zweiten Durchgang schlichen sich in Angies Konterspiel einige Fehler ein. Mit Unterstützung des Publikums kam Watson besser auf Touren und gewann „aus heiterem Himmel“ den 2.Satz mit 7:5. Im entscheidenden 3.Satz agierte die Kielerin wieder konzentrierter und wies ihre Gegnerin mit klarem 6:1 in die Schranken.
Drei deutsche Tagessiege: auf unsere Damen können wir uns verlassen.
Julian Reister trat gegen den Usbeken Denis Istomin, der Nr. 45 der ATP-Rangliste, als Außenseiter an. Der Hamburger setzte sich von Anfang an konzentriert zur Wehr, verlor dann aber – denkbar knapp und mit zahlreichen Chancen – den 1.Satz mit 7:9 im Tiebreak. Istomin behielt danach souverän die Oberhand und gewann die nächsten beiden Sätze jeweils mit 6:4.
Damit findet das Turnier in London bei den Herren im weiteren Verlauf ohne deutsche Beteiligung statt.
Zum Schluss öffnen wir wieder den Blick auf die internationale Konkurrenz und stellen fest: Same procedure as every day.
Die Topgesetzten S.Williams, Sharapova, Bouchard und Ivanovic bei den Damen, Raonic, Nishikori und Federer bei den Herren, setzten sich ohne Satzverlust durch.
Die Ausnahmen waren Rafael Nadal und Stan Wawrinka. Die gaben jeweils einen Satz ab.