Tennis im deutschen TV

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Sport war einmal in den Anfängen die schönste Nebensache der Welt.

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Die Zeiten sind längst vorbei. Die moderne Freizeitgesellschaft  hat sportliche Leistungen in das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit gerückt.  Besonders die Massenmedien haben dem ehemals ungezwungenen Spielen und Bewegen längst ihren Stempel aufgedrückt, die Strukturen und Inhalte ausgebeutet und kommerzialisiert.

Als deutliches Beispiel für die Macht der Medien, kann das kollektive Leiden des brasilianischen Volkes nach der Halbfinalniederlage gegen Deutschland gelten. Kein Wort mehr über die Rebellion  gegen die Korruption der FIFA oder den Filz der brasilianischen Amtsträger. Plötzlich schien eine ganze Nation vereint -  in kollektiver Depression wegen eines 1:7 verlorenen Spiels.

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Als Liebhaber des „bunten weißen Sports“ war man plötzlich fast froh, dass Tennis in den deutschen Medien nicht mehr so präsent ist. Man atmete auf in dem Bewusstsein, dass Niederlagen von „Bumm Bumm Bine“ oder „Dust  in the wind Brown“ keine kollektive Depression in unserem Land hervorrufen können.

Das deutsche Tennis hat aktuell  anders gelagerte Probleme im Umgang mit der Medienberichterstattung.

Es ist die Tragödie des Tennis in den Massenmedien, das kaum noch sachkundige Journalisten über den Sport im Fernsehen berichten können. Im Viertelfinalspiel des Aufsteigers Zverev gegen Tobias Kamke in Hamburg, sprach der Eurosport-Kommentator nach dem ersten verschlagenen Ball von der Müdigkeit des Ausnahmetalents. Dieses Mantra  zog sich durch das gesamte Match. Bei jedem Punktverlust von Zverev wurde weiter darauf hingewiesen, dass die vorhergegangenen Matches die Kraft aus dem Körper des Schlacks gezogen hatten. Wenn ein Ball auf dem Sand versprang und einen Fehler Zverevs nach sich zog, war die Müdigkeit Saschas schuld, wenn sein Gegner mit einen verdeckten Stopp punktete, war es nur die Energielosigkeit des armen Sascha, die dem fein abgestimmten Spezialschlag seines Gegners zum Erfolg verhalf. Als Kamke den ersten Satz mit 6:0 gewann, folgte der objektive Kommentar mit Triumph in der Stimme: „Dieses Ergebnis ist eindeutig ein Ausdruck …“, na ja, wir wissen schon. Unbeachtet blieb auch in den nächsten zwei Sätzen, dass der Youngster sich längst frei gespielt hatte, dass Körper und Geist deutlich sichtbar Entschlossenheit und Siegeszuversicht verrieten. Als der – ach, so müde – Sascha im dritten Satz, dank seiner hervorragenden Kondition, gewonnen hatte,  blieb ein einordnender Kommentar aus. Da war der Kopf des Reporters nur von der „Müdigkeit“ ausgefüllt.

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Das nächste Beispiel gefällig? Bei den Übertragungen des Sky-TVs von Wimbledon hatten die TV-Zuschauer das zweifelhafte Vergnügen von mindestens 5 Plätzen Bilder und Kommentare in das Wohnzimmer geliefert zu bekommen. Dazu muss man wissen, dass Eurosport eine Allzweckwaffe besitzt, die eloquent – und nicht immer kompetent – über Skifliegen und Leichtathletik, über Darts und Fußball, über Skilanglauf oder irgendeine Ralley in der Pampa berichtet. Der „witzige Schnacker“ war in London nicht vor Ort.Sky hatte offenbar kein solches Allround-Talent im Aufgebot. Dafür ein Ensemble von  sogenannten Reportern, deren Informationen sich wohl – im günstigsten Falle – aus einem abgebrochenen Anfängerkurs in der lokalen kommerziellen Tennisanlage speisten. Da wurde ein Slice als Topspinschlag denunziert, da wurden fleißig Statistiken zitiert, die den aktuellen Spielverlauf auf den Kopf  stellten. Im Gegensatz zu dem „Tennisguru“ der Spartensender, der in Waldi Hartmann-Manier mit jedem Tennisprofi, der nicht schnell genug wegläuft, private Plaudereien gestaltet und dann der Welt bedeutungs-schwangere Informationen über die Wahl der Tennissocken oder die unruhigen Nächte der Kinder der Tennisstars  mitteilt, können diese Kollegen von Sky nicht einmal die Tennisprotagonisten auf der Anlage voneinander namentlich  unterscheiden.

Das Casting für die Kommentatoren-Auswahl der Wimbledonübertragungen muss bei Sky wegen Teilnehmermangel ausgefallen sein.

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Okay, unsere Kritik ist zugespitzt und ungerecht. In der postmodernen Welt muss man flexibel reagieren und öfters Jobangebote nutzen, bei denen man sich erst mit der Zeit sinnvolle Informationen und Erfahrungen aneignet.

Tragisch ist aber, dass gerade die Informationen, Nachrichten, Texte, Bilder und Kommentare der Massenmedien das aktuelle Image einer Sportart prägen. Wenn nicht schnell mehr sachkundige, differenzierungsfähige und auch emotional teilnehmende Reporter die internationalen Bilder vom Tennis in Deutschland kommentieren, dann wird Tennis in unserem Land in eine Nische gedrängt, wie der Kleingartenverein vor den Toren unserer Heimatstadt.

Dann ist Tennis auch keine Lebensart mehr, von der einige Nostalgiker noch heute schwärmen.

Wir empfehlen allen Liebhabern des weißen Sports, in die Tennisübertragungen des englischen Senders BBC während des Wimbledonturniers zu „zappen“. Dort kommentieren versierte, aber zurückhaltende Sportreporter, unterstützt von fachkundigen Experten. Da wird Tennis am Bildschirm zum Erlebnis. Der Zuschauer gewinnt überraschende Einblicke in das Geschehen, ihm werden interessante Perspektiven angeboten. Da sitzt dann auch Boris Becker am richtigen  Platz – als Co-Kommentator. Und findet weltweiten Respekt für seine knappen, aber treffenden Beiträge…

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Von dieser Qualität der Berichterstattung über Tennis sind wir meilenweit entfernt. Die Engländer zeigen uns aber, wie es in Zukunft aussehen könnte.

Es gibt einen klugen Satz über Kommunikation: „Wenn jeder Mensch nur über das urteilen würde, was er wirklich weiß, herrschte eine große Stille, die man zum Lernen nutzen könnte.“

Oft haben wir uns gewünscht, dass dieses Prinzip bei Sportübertragen im TV befolgt werden würde. Meist sagen Bilder mehr als tausend Worte.

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