Vor dem mit Spannung erwarteten Finale des Davis Cups zwischen Frankreich und der Schweiz glaubt die legendäre französische Sportzeitung „L’Equipe“, eine Krise im eidgenössischen Team entdeckt zu haben. Unter der zumindest witzigen Überschrift “Je t` aime moi non plus“ (ich liebe dich – ich dich auch nicht), die ein weltberühmtes Lied von Serge Gainsbourg und Jane Birkin zitiert, wird ein Zerwürfnis zwischen Federer, seiner Frau Mirka und Stan Wawrinka thematisiert. Anlass der – von Wawrinka längst dementierten – Auseinandersetzung soll ein Disput zwischen Stan und Rogers Ehefrau Mirka während des Halbfinalmatches der Schweizer Profis bei den ATP-Finals in London gewesen sein. Die Boulevardpresse in unseren beiden Nachbarländern hat dieses Thema längst aufgegriffen und berichtet seit Tagen ausschweifend mit weiteren Spekulationen.
Glückliche Schweiz – glückliches Frankreich: Soviel Wirbel in den Printmedien hat seit Jahrzehnten kein Tennisereignis mehr in Deutschland hervorgerufen.
In der Zwischenzeit ist der komplette Schweizer Kader längst in Frankreich angekommen und hat seine Vorbereitung für das Finale am kommenden Wochenende in Lille aufgenommen. Dass die Spieler auf unterschiedlichen Wegen nach Lille gekommen sind, war dann wieder ein Anlass für wilde Spekulationen in den Medien.
Das nervt. Das ist ein Hinweis darauf, dass Tennis immer mehr zum Show-Sport degradiert wird. Da sammeln sich tausend Seiten im Blätterwald der Presse, mit Spekulationen über das Streitgespräch von Mirka und Stan oder den verschiedenen Anfahrtswegen zum Davis Cup und keine fünf Zeilen werden über die wahnsinnigen Volleys von Federer, die er im Semifinalmatch noch „gefischt“ hat oder von den atemberaubend schnellen Rückhand -Passierschlägen Wawrinkas geschrieben.
Leute, da stimmt etwas nicht. Da haben sich die Relationen verschoben. Zum krassen Nachteil des Sports.
Diese Art der Berichterstattung ist ein Zeichen dafür, dass seriöse Sportreportagen in unserer Zeit immer mehr in ein Nischendasein gedrängt werden.
Kehren wir also hier auf den Boden der sportlichen Tatsachen zurück:
Am kommenden Wochenende hat die kleine Schweiz zum ersten Mal die Chance, die Weltmeisterschaft im Teamwettbewerb des Tennis zu gewinnen. Die Eidgenossen mit ihren beiden Spitzenspielern Federer und Wawrinka gelten als Favoriten. Das französische Team mit Tsonga, Monfils, Simon und Gasquet verfügt zwar über klangvolle Namen, aber gegen die beiden Spieler der absoluten Weltspitze aus der Schweiz geben ihnen die Fachleute in den Einzeln kaum eine Chance. Auch der Heimvorteil wird nicht so starken Einfluss haben, weil viele Schweizer über die Grenze nach Frankreich zum Tennisgroßereignis pilgern werden.
Größere Hoffnungen auf einen Sieg können sich die Franzosen eher wegen der Ungewissheit des Gesundheitszustandes von Roger Federer machen. Der Weltranglistenzweite hat sich nach seiner Ankunft in Lille erst einmal nur medizinisch behandeln lassen.
Ein weiterer Vorteil für die Franzosen kann ihre Wahl des Sand- Belages sein, auf dem in der gigantischen Mehrzweck-Arena in Lille gespielt wird. Die beiden Spitzenspieler der Alpenrepublik haben seit Monaten nicht mehr auf Sand gespielt und ihnen stehen nur wenige Trainingstage für eine Umstellung zur Verfügung.
Da Roger sich noch auskuriert, gerät er sogar unter größeren Zeitdruck. Federer bleibt aber bei all dem Wirbel gelassen und zeigte das bei der offiziellen Pressekonferenz des Schweizer Teams in Lille: „Es wäre schon schön, wenigstens einmal auf Sand trainieren zu können… Klar, ich kann auch ohne Training spielen. Ich versuche immer bereit zu sein. Ich habe jetzt noch morgen und übermorgen Zeit, dass der Rücken besser wird. Manchmal sind zwei Tage sehr lang, besonders für einen Spitzensportler, der sich in der Regel schneller erholt. Und ich kann mich nun doch hier gut erholen von einem stressigen, langen Jahr.“, erklärte der Tennisstar aus Basel am Dienstag.
Zum Ende des Post zitieren wir noch einen Text aus der Presse: Der Schweizer „Tagesspiegel“ hat in der jüngeren Geschichte der eidgenössischen Davis Cup- Begegnungen geforscht und eher soziale Gründe für Federers Stress gefunden. Wir zitieren wörtlich, lassen den Text unkommentiert stehen, um nicht selbst in vage Spekulationen zu verfallen. So kann „sich jeder seinen eigenen Reim darauf machen“:
„Das Bild der beiden Freunde, die gemeinsam den Davis-Cup jagen, ist ein Wunschbild der Regenbogenpresse. Tennisspieler sind Individualisten, die in Momenten wie diesen zu einer Zweckgemeinschaft finden. Bereits vor knapp drei Jahren bei der Davis-Cup-Begegnung gegen die USA in Freiburg war es zu einem Zusammenstoß der beiden gekommen, weil Federer Wawrinka öffentlich kritisiert hatte. Der Romand reiste danach vor den abschließenden Einzeln am Sonntag ab – offiziell um den Geburtstag seiner Tochter zu feiern. Er zog sich danach aus dem Davis-Cup-Team zurück – allerdings nicht aus Protest gegen Wawrinka, sondern weil er die Perspektiven auf einen Sieg nicht als gut genug einschätzte und die Prioritäten anders setzte. Er kehrte auf diese Saison hin zurück, weil die Auslosung gut war und sich Wawrinka mittlerweile in den Top-Ten etabliert hatte.“
Sollte Federer, der erfolgreichste Spieler in der Geschichte des Profitennis tatsächlich ausfallen, würde sehr viel von der zu erwartenden Spannung des Finales verloren gehen. Die Schweizer Ersatzspieler Marco Chiudinelli und Michael Lammer werden in der Weltrangliste auf den Positionen 212 und 508 geführt und stellen wohl kaum eine ernsthafte Bedrohung für die französischen Stars, die alle als Topspieler in der Weltrangliste platziert sind, dar.
Am Mittwoch schlug die Schweizer Nr.1 ein paar Bälle mit Marco Chiudinelli auf dem Sandplatz in der Arena von Lille. Die Hoffnungen auf ein spannendes Finale steigen.