Nole Djokovic hat die Saison 2014 als Weltranglistenerster abgeschlossen. Für noch größeres Aufsehen hat in diesem Jahr der Weltranglisten-Zweite Roger Federer gesorgt. Nach seinem „Seuchenjahr 2013“, das von – für ihn ungewohnten – Verletzungen geprägt war, hat der Schweizer 2014 im Alter von 33 Jahren wieder an beste Zeiten angeknüpft.
Dieses Phänomen wird gerade in den Kreisen der Profikollegen mit Staunen betrachtet und thematisiert. Jetzt hat sich Andy Roddick, der 2003 die US Open gewann, zu Wort gemeldet. Für ihn unterscheidet sich Federer durch die Fähigkeit, verlieren zu können, von allen anderen Spitzenprofis. Der US-Boy verweist auf eine Aussage Rogers während der US Open 2014: „Nun, ich fühle die Befriedigung stärker, die mit einem Sieg in Verbindung steht, als den Zorn und die Enttäuschung bei einer Niederlage.“
Niederlagen nicht überbewerten, sondern sachliche Erkenntnisse über die Gründe des Misserfolges suchen, um diese noch vorhandenen Schwächen im Training und bei den nächsten Matches zu korrigieren, ist eines der Erfolgsgeheimnisse der Schweizer Tennislegende. Direkt nach einer vermeidbaren Niederlage in Toronto in diesem Jahr, kommentierte er diese negative Erfahrung gelassen und schaute klar in die Zukunft: „Es war einfach nur frustrierend für mich heute auf dem Platz. Ich habe kaum eine Vorhand anständig getroffen. Aber ich weiß jetzt, woran ich zu arbeiten habe in den nächsten Tagen und Wochen!“
Er hat im Training daran gearbeitet und stand einige Monate später auf dem Sprung zur Nr.1 der Weltrangliste.
Diese Art des sachlichen Umgangs mit Niederlagen war Andy Roddick in seiner Karriere fremd: „Für Federer scheint es im Kopf ganz einfach abzulaufen. Ich glaube, er versteht auch nicht, wie es andere Spieler quält, wenn sie auf dem Tennisplatz besiegt werden. Wenn ich verloren hatte, war ich den restlichen Tag wütend.“
Roddicks Einstellung ist stark von subjektiven Emotionen geprägt. Dabei verliert er die Stärke seines Gegners aus dem Auge, nimmt zu wenig die besonderen Umstände des Misserfolges wahr. Deshalb sieht er nicht den großen Zusammenhang, in dem dieses negative Ereignis steht. Er überbewertet den Rückschritt und kann deshalb keine sinnvollen Erkenntnisse für den Fortgang seiner Karriere gewinnen.
Federer kontrolliert die negativen Gefühle besser. Das wird erleichtert durch seine Einstellung: Der „weltbeste Spieler aller Zeiten“ bewertet nicht einzelne Ereignisse isoliert, sondern sieht sie in einem übergeordneten Zusammenhang: Er betrachtet seine Tenniskarriere als einen Weg, der nie das Ziel außer Acht lässt. Auf diesem Weg liegen immer wieder Stolpersteine – d.h. Niederlagen gegen Konkurrenten. Roger respektiert seine Gegner, sucht nach Gründen seines eigenen Misserfolges und arbeitet daran, diese Schwächen zu korrigieren, um beim nächsten Match besser gerüstet zu sein.
Eine meisterhafte Einstellung. Ein Vorbild für alle Tennistalente, die von großen Erfolgen träumen!
Diese vorbildliche Herangehensweise ist auch ideal für das Training: Ein achtsam wahrgenommener Fehler gibt uns Auskünfte über das, was noch fehlt. Ein Fehler wird erst dann zum richtigen Fehler, wenn man nicht verändert, sondern mit den gleichen Gewohnheiten diesen Fehler immer wieder wiederholt!
Mit seiner Haltung kommt der Schweizer Tennisstar dem zen-buddhistischen Prinzip der japanischen Samurai sehr nah:
„Aus Niederlagen Siege machen!“
P.S.
Eine weitere Voraussetzung des Erfolges von Gentleman Roger, die unseren Talenten und ihren Trainern einen wichtigen Hinweis liefern könnte, hat kürzlich ein ehemaliger Coach von FedEx im Interview hervorgehoben:
Tony Roche, ehemaliger French-Open-Champion von 1966 ist überzeugt, dass der Schweizer neben dessen unglaublichen Talent und seiner vorbildlichen Einstellung noch einen anderen besonderen Vorteil gegenüber seiner Konkurrenz genießt: „Durch seine besondere, natürliche Agilität ist seine größte Stärke, dass er sich kaum verletzt. Was sein Geheimnis ist? Er übt seine Schläge immer fließend aus, ohne dabei zu ermüden. Es ist die Art, wie er spielt. Verletzungen spielen eine sehr große Rolle im Tennis. Und während der Jahre war er mit keinerlei größeren Problemen konfrontiert. Sehen sie sich Rafael Nadall an. Wenn er nicht seine vielen Verletzungen gehabt hätte, hätte er möglicherweise noch mehr erreichen können.“
P.S. II
Unsere verehrten Fußballteams – Borussia Dortmund und HSV – sollten sich die Einstellung des Tennisstars Federers zu Niederlagen zum Vorbild nehmen. Dann hätten wir am Wochenende wieder mehr positive Energie, uns den Problemen des „bunten weißen Sports“ zuzuwenden.