Wir hatten uns gefreut, wie souverän und offenbar schmerzfrei Andrea Petkovic in Paris ihre Erstrundenpartie, nach ihren Verletzungssorgen im Vorfeld, bestritten hatte. Dann erzählte „Petko“ in der Pressekonferenz, dass sie im Match zwar keinerlei starke Schmerzen verspürt hätte, dass die Gesundheitsprobleme aber im Alltag immer noch vorhanden seien. Eine Aussage der Darmstädterin, weit vor den French Open ausgesprochen, kann Erklärungshinweise liefern: „Ich spiele 50 Prozent meiner Matches mit Schmerztabletten.“
Vor fast 20 Jahren, als die Dopingsünden auf der Tour de France öffentlich diskutiert wurden, hatten verschiedene Mediziner behauptet, dass auch ein Grand Slam-Sandplatz-Turnier, das über zwei Wochen läuft und bei dem die Spieler zumindest alle 2 Tage ihre Leistungen präsentieren müssen – und dies unter Umständen mehrfach über 5 Sätze! – die Möglichkeiten des menschlichen Organismus weit überschreiten. Ein Vergleich kann zur Einordnung dieser Herausforderungen bei einem hochklassigen Tennisturnier beitragen: Die Profifußballer klagen über die Strapazen in sogenannten „Englischen Wochen“, in denen sie 3 Mal in 8 bis 9 Tagen den Rasen für Wettkämpfe betreten müssen. Haben Sie schon einmal einen Tennisprofi klagen hören, dass er 4 bis 5 Mal in einer Woche auf den Platz muss, um das Finale eines Turniers bestreiten zu können? Dabei ist noch zu bedenken, dass generell die Spielzeit beim Fußball auf 90 Minuten beschränkt ist. Beim Tennis muss man sich in einem Drei-Satz-Match öfters 2- 3 Stunden auf der roten Asche die Füße wund laufen.
Wir haben diese Überlegungen unserem Ergebnisbericht vom 4.Tag in Paris vorangestellt, um darauf aufmerksam zu machen, welche Leistungen Tennisprofis Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat präsentieren müssen. Alle diese Sportler, die sich durch ihre Erfolge für ein Grand Slam-Turnier qualifiziert haben, verdienen Respekt! Das Wissen um diese „unmenschlichen“ Herausforderungen lässt unerwartete Niederlagen in einem anderen Licht erscheinen. Zu oft wissen wir nicht über die Hintergründe der Niederlagen Bescheid, viel zu oft werden wir in unserer Enttäuschung und in unserer Kritik den wahren Sachverhalten nicht gerecht. Ja, dies gilt auch für die Autoren dieses Blogs.
Zurück zum aktuellen Geschehen in Roland Garros: Alle Topgesetzten bei den Damen und den Herren haben bisher ihre Erstrundenmatches gewonnen. Am heutigen Mittwoch ging es in die zweite Runde. Fünf hochkarätige deutsche Teilnehmer traten an diesem Tag zu ihren Matches an.
Sabine Lisicki konnte schnell den ersten deutschen Tagessieg feiern. Im 1.Satz war ihre Gegnerin Daria Gavrilova (WTA Nr.46) chancenlos und „Bine“ gewann mühelos 6:1. Bevor der erste Punkt des 2.Satzes gespielt wurde, gab die 21-jährige Russin mit Wohnsitz in Australien wegen Verletzung auf- siehe oben… Lisickis Mitleid wird sich wohl in Grenzen gehalten haben – sie hat ohne großen Energieverlust die 3.Runde des Grand Slams erreicht.
Auch Radwanska-Bezwingerin Annika Beck musste noch am Vormittag auf den Platz, um sich mit Paula Kania (WTA Nr.160), die zuvor Mona Barthel ausgeschaltet hatte, zu messen. Im Gegensatz zur Neumünsteranerin nutzte Annika die Chance entschlossen. Sie fegte die Polin mit 6:2 und 6:2 vom Platz.
Benjamin Becker setzte die deutsche Siegesserie dann in seiner Partie gegen Fernando Verdasco, der an Position 32-gesetzt war, fort. „Benni“, der sich schon in den USA bei den Wettkämpfen der Universitäten den Ruf eines „Dog-Fighters“ erworben hatte, rang den favorisierten Spanier in einem Marathon-Match mit 6:4, 0:6, 1:6, 7:5 und 10:8 nieder. Der 33-jährige deutsche Oldtimer hat in seiner langen Karriere erst das zweite Mal in Paris gewonnen. Das erste Mal war vor drei Tagen, als er den Belgier Bemelmans nach 4 Stunden bezwang.
Angelique Kerber hatte es in ihrem Zweitrundenmatch mit Ajla Tomljanovic (WTA Nr. 58) zu tun. Die Kielerin geriet gegen die 22 Jahre alte Australierin nie ernsthaft in Gefahr, obwohl ihr auch zwischendrin immer wieder leichte Fehler unterliefen. Nach genau 70 Minuten verwandelte sie ihren ersten Matchball und erreichte die dritte Runde mit einem klaren 6:3,6:2-Sieg.
Am frühen Abend ging Philipp Kohlschreiber auf den roten Ascheplatz, um mit einem Sieg über Pablo Andujar (ATP Nr.42) als fünfter deutscher Profi an diesem Tag die dritte Runde in Roland Garros zu erreichen. Der Augsburger haderte im 1.Satz mit den Platzverhältnissen und mit sich selbst, produzierte ungewöhnlich viele unnötige Fehler und verlor den Durchgang mit 1:6. Im 2.Satz ging „Kohli“, als er seine Fehlerquote reduzierte, mit 5:2 in Führung. Dann ließ er wieder nach und verlor im Tiebreak, wobei er auch dort wieder kurz vor erfolgreicher Beendigung eine Führung verspielte. Im 3.Durchgang stemmte sich der Deutsche gegen die Niederlage und begann seine Aufholjagd mit einem 6:3 Satzgewinn. Die deutschen Zuschauer, die den Weg zum engen und entlegenen Court gefunden hatten, schöpften wieder Hoffnung und feuerten ihren Landsmann an. Der hatte sich langsam in eine gute Form gesteigert und gewann den vierten Satz souverän mit 6:3. Im fünften Satz wirkt “Kohli” fitter als sein Gegner, geht 4:2 in Führung, als das Match wegen Dunkelheit unterbrochen wird.
Morgen kann Kohlschreiber den fünften deutschen Sieg nacheinander in Paris unter Dach und Fach bringen.