“Der Griff zu den Sternen” – Gedanken anlässlich der US Open

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Ohne deutsche Beteiligung ab dem Viertelfinale – trotzdem ist das Grand Slam – Turnier in New York eine Betrachtung wert. Dabei geht es uns nicht um eine generelle Analyse, sondern wir wollen einen Aspekt thematisieren, der während des Events auffiel.

serena

Unsere weiblichen Rezipienten mögen entschuldigen, dass wir nach dem doch schmerzenden frühen Ausscheiden unserer Tennisspielerinnen etwas kürzer auf die Damen- Konkurrenz eingehen. Die Dominanz des US-Powergirls Serena Williams ist offensichtlich. Dass Sabine Lisicki sie in Wimbledon schlagen konnte, ist deshalb umso höher zu würdigen. Hinter der dominierenden Serena gibt es ein Dutzend Spielerinnen mit Azarenka und Scharapova an der Spitze, die immer wieder zumindest in das Finale eines Grand Slams einziehen können. Zu diesem Kreis gehören auch mindestens drei deutsche Spielerinnen: Kerber, Lisicki und – bei kontinuierlicher Weiterentwicklung – Andrea Petkovic.

Bei den Herren sieht das anders aus: Hier dominieren Djokovic, Nadal, Murray und – auch wohl immer noch – Roger Federer. Wawrinka hat in New York deutlich gemacht, dass er in Zukunft in diese vierköpfige Phalanx einbrechen könnte. Gasquet, Ferrer und Genossen spielen hervorragendes Tennis, gehören aber noch nicht in diese „überragende Kategorie“. Da gibt es doch noch feine Abstufungen, die den Unterschied ausmachen.

Konzentrieren wir uns auf eine bedeutende Nuance: das Durchsetzungsvermögen.

Djokovic, Nadal und Murray präsentieren sich seit Monaten und Jahren als Wettkämpfer, die sich in keinem Augenblick des Matches geschlagen geben. Immer wieder finden sie auch im Rückstand eine neue Lösung, um das Match umzudrehen. Typisch für diesen unermüdlichen Kampfgeist und die Bereitschaft, bei harter Gegenwehr über sich hinauszuwachsen, war das Finale der Australian Open 2012 zwischen Djokovic und Nadal. Welcher körperliche und auch geistige Einsatz! Welch unermüdlicher Siegeswillen! Welche Widerstandskraft! Dieses fünfstündige Finale sollte man den jugendlichen Talenten eigentlich immer wieder vorführen – leider ist in der Zeitplanung unserer Leistungsspieler so viel Frist gar nicht mehr vorhanden…

warinka morman

Sicherlich ist dieses Durchsetzungsvermögen eine genetische Disposition, aber wenn man genau hingehört hat bei den US Open, dann findet man auch Hinweise, wie diese herausragende Fähigkeit auch für normal Sterbliche zu erlangen ist. Da erzählt zum Beispiel der Trainer von Stanislaus Wawrinka , Magnus Norman, dass ihre Zusammenarbeit so gut funktioniert, weil sie ähnliche Voraussetzungen in ihren Karrieren hatten: beide seien nicht mit diesen herausragenden spielerischen und koordinativen Fähigkeiten gesegnet gewesen wie andere Stars des Profitennis, aber sie hätten eben Stärken wie unermüdliche Einsatzbereitschaft, unbedingte Trainingsdisziplin und unerschütterliche Zielbewusstheit. Dann erwähnt Norman, dass er den Trainingsumfang von Wawrinka in den letzten Monaten stark erweitert hat. Das Ergebnis dieses erhöhten Trainingseinsatzes konnten wir in New York mit verfolgen.

Diese Einschätzung der individuellen Fähigkeiten gibt vielen jungen Spieler/innen Hoffnung: Auch wenn in bestimmten Aspekten die Konkurrenten bessere Voraussetzungen haben, heißt das nicht, dass man nicht die Nr.2 (Magnus Norman!) der Weltrangliste werden konnte oder in die Top Ten der aktuellen Weltrangliste (Wawrinka) vorstoßen kann. Man muss halt nur viel härter und mit nachhaltigerem Plan arbeiten als die Mitspieler.

Wir wollen uns nicht den Stimmen anschließen, die behaupten, dass die Trainingsumfänge der deutschen Talente zu niedrig seien. Trainingsintensität kann nicht zeitlich generalisiert werden. Dafür gibt es zu viele unterschiedliche Komponenten – nach individueller Veranlagung sollte das Training schon geplant werden. Es ist aber auffällig, dass in anderen Nationen die Trainingsumfänge eindeutig höher sind als in unseren Verbänden. Bei der immer stärker werdenden internationalen Konkurrenz entscheiden über Sieg und Niederlage am Ende meist athletische und psychologische Aspekte: unbedingter Einsatz- und Siegeswillen, die klare, nicht abgelenkte Handlungsausführung. Diese Eigenschaften besitzt der individuelle Spieler mehr oder weniger. Im Training kann man aber diese entscheidenden psychischen Einstellungen lernen. Wer schlechtere Voraussetzungen bei diesen leistungsbestimmenden Faktoren hat, kann sie im Üben korrigieren, sich eine subjektiv optimale Einstellung erarbeiten.

Dabei verstehen wir unter Training nicht das reine Techniktraining. Nach unserer Auffassung gehört ein Matchtraining unter Aufsicht eines erfahrenen Coaches unbedingt zu den Übungseinheiten von leistungsorientierten Tennistalenten!

nole

Um Missverständnisse zu vermeiden: Nadal und Djokovic sind nicht deshalb nur seit Jahren ganz oben in der Weltrangliste, weil sie extrem hart an sich arbeiten. Das ist nur die eine Seite. Darüber hinaus haben sie – wie Federer und Murray – exzellente Fähigkeiten in der Athletik, im Ballgefühl, in der Koordination und in der Trainings- und Matchführung.

Deshalb sind sie eben aktuell eine Klasse für sich.

In den Anfängen des Profisports Tennis standen Typen mit unterschiedlichen Begabungen in der Weltspitze – in der rasanten Entwicklung des modernen Tennis hat unseres Erachtens nur noch der allseitig ausgebildete Spieler eine Chance, in die absolute Weltklasse vorzudringen.

Diese Vielseitigkeit kostet aber wieder Zeit und – immer und immer wieder-viele Mühen. Schlagtraining steht in der Weltspitze im Zentrum der Trainingstätigkeiten bei den Damen und Herren der absoluten Weltklasse. Aber sorgfältig geplantes Sprint-, Konditions-, spezielles Gymnastik- und allgemeines Fitnesstraining gehören ebenso zum festen Bestandteil des professionellen Tagesablaufs. Regenerative Maßnahmen sind längst in ihrer gesundheitlichen Bedeutung erkannt und nehmen im Alltag eines Profis einen nicht unerheblichen Raum ein. Da immer wieder erfahren wird, dass letzten Endes der Kopf über Sieg und Niederlage bei ausgeglichener Konkurrenz entscheidet, bereiten sich die Profis natürlich täglich auch mit psychologischen Übungsformen auf den Wettkampf vor.

Das kann heute kein Spieler mehr allein leisten. Er braucht ein funktionstüchtiges Team, das von Minute zu Minute, von Tag zu Tag, von Monat zu Monat nie das angestrebte Ziel aus dem Auge verliert.

Viele Fachleute behaupten, dass die Materialentwicklung ein ausschlaggebender Faktor in der explosiven Leistungsentwicklung im Profitennis ist. Andere – und wir geben ihnen recht – sehen in den professionellen Trainingsplänen den Grund des Fortschritts.

Der glamouröse Schein der Weltspitze im Tennis verspricht Glanz – dahinter steckt aber immer ein aufopferungs- und mühevolles Sein.

Das sollten unsere nationalen Talente – aber auch ihre Betreuer, ihre Eltern – wissen, wenn sie ihren Traum von einer Profikarriere im Tennis verwirklichen wollen.

Dabei ist die psychische Belastung ungleich höher als in den Mannschaftssportarten. Bei Rückschlägen ist der Tennisspieler erst einmal allein. Er kann die Verantwortung für Fehlentwicklungen nicht auf die Mitspieler übertragen und damit entschuldigen. Gerade deshalb spielt ein souveränes mitmenschliches Umfeld bei der Karriereplanung eine entscheidende Rolle.

Per aspera ad astra! – nur wer durch die alltäglichen Widrigkeiten kommt, kann nach den Sternen greifen. Der uralte lateinische Spruch gilt wohl auch heute noch – oder gerade!- im modernen Profi-Tennis-Zirkus.

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