Das großartige Davis Cup-Finale in Zagreb hat der ATP- und WTA-Saison 2016 einen würdigen Abschluss beschert. Die Identifikation des Schlachtenbummlers Diego Maradona mit dem Tennis-Nationalteam in Zagreb hat für einen zusätzlichen riesigen Aufschwung des „bunten weißen Sports“ in dem eigentlich fußballverrückten Argentinien gesorgt.
In den nächsten Wochen können sich die Profis von den Strapazen der Tour erholen, es finden keine bedeutungsvollen Turniere für die Weltspitze statt. Wir wollen die Gelegenheit nutzen, um einen Blick hinter die Kulissen des Profitennis zu werfen:
Tennismatches werden im Kopf entschieden – im Spitzentennis und auch im Kreisligamatch in der Provinz. Die Anforderungen an das Gehirn im bunten „weißen Sport“ sind außerordentlich vielfältig: Du stehst meist allein auf den Platz, spielst gegen einen Gegner, der bemüht ist, dir ein Problem nach dem anderen in dein Spielfeld zu platzieren. Das ist schwierig genug, aber die sadistischen Regeln haben dem Tennisspieler noch ein weiteres Hindernis in den Weg gelegt: das Netz. Wenn Fuß-, Basket- und Handballer jubeln, wenn der Ball im Netz landet, ist beim Tennisspieler absoluter Frust angesagt, wenn der „verdammte Schlag“ im Netz hängen bleibt.
Nur beim Aufschlag kannst du selbstbestimmt handeln, alle anderen Schläge werden von den meist missgünstigen und mitleidlosen Aktionen deines Gegners bestimmt. Wenn du alles richtig gemacht hast, verspringt der Ball auf dem unebenen Platz, der Wind verweht die Filzkugel oder der Lärm vom vorbeifahrenden Zug stört deine Konzentration. Mit dieser Aufzählung sind die unendlichen Hindernisse, die einem Spieler im Tennis immer wieder die Kontrolle seiner eigenen Aktionen unmöglich macht, nur skizziert.
Um so etwas wie Ordnung im Wettkampf im Kopf herzustellen, um einen Anhaltspunkt zu haben, den man allein und damit unbeeinflusst bestimmen kann, haben viele Spieler Gewohnheiten entwickelt, die im Grunde von Aberglauben geprägt sind und von außen betrachtet, kurios wirken.
Fast alle Profis haben sich abergläubische Aktionen angewöhnt. In den nächsten Posts werden wir einige außergewöhnliche Tics der Weltklassespieler/innen vorstellen. Wir beginnen mit einer WTA-Spielerin, die ein angeborenes Talent immer wieder in kritischen Situationen anwendet, um sich zu stabilisieren:
Dominica Cibulkova hat Ende Oktober den begehrten Titel bei den WTA-Finals im Endspiel gegen Angie Kerber gewonnen. Fragt man den energischen „Duracell-Hasen“ aus Bratislava, was der tiefe Grund dieses Erfolges war, wird sie privaten Freunden ihr Erfolgsgeheimnis, ein sehr spezielles Ritual, verraten: Vor jedem Aufschlag lässt sie sich einen Ball von den Ballkindern zuwerfen, hält den gefangenen Ball jedes Mal vor die Nase und saugt den Duft der Filzkugel genüsslich ein. Sie liebt offensichtlich den Geruch. Diese Freude schüttet bei ihr Dopamin aus – das Glückshormon, das – wie bekannt - beste Voraussetzung für erfolgreiche Aktionen ist.
Wer diese Erklärung als blanken Unsinn bezeichnet, hat eigentlich grundsätzlich recht, sollte aber vorsichtig mit endgültigen Urteilen sein: Dieser Tic von der Slowakin ist in der Tennisszene allgemein bekannt. Um den ausgeprägten olfaktorischen Sinn Cibulkovas zu testen, hatte die BBC dieses Jahr in Wimbledon in einer Rahmenveranstaltung geöffnete Dosen von den vier verschiedenen Ballsorten, die jeweils bei den Grand Slams gespielt werden, ihr vor die verbundenen Augen gestellt. Die Dosen wurden der („blinden“) Slowakin in die Hand gedrückt, sie führte einen Ball an die Nase, und konnte – ohne einen einzigen Irrtum! – nach kurzer Zeit „des Riechens“ immer den Ort angeben, wo der jeweilige Turnierball gespielt wurde. Die Zuschauer waren begeistert. Anwesende kundige Biologen gaben dem “Duracell-Hasen” sofort einen neuen Spitznahmen: „Der Sternnasen-Maulwurf aus Bratislava“. Dieser Maulwurf verfügt in der Tierwelt über das sensibelste Geruchsorgan.
Der besondere Geruchsinn von Cibulkova macht also Sinn für ihre Wettkämpfe und ist wohl doch mehr als nur eine verrückte Angewohnheit.
In der nächsten Folge des „Aberglaubens im Spitzentennis“ werden wir die Tics von Rafael Nadal, des ungekrönten König des Aberglaubens“, unter die Lupe nehmen.