„Kerber quält sich in die zweite Runde“ oder „Kerber entging knapp einer Blamage“ wurde gestern kritisch und wenig fachkundig in den deutschen Medien getitelt. Das wird dem Auftritt der Weltranglistenersten nicht gerecht. Sie zeigte sich in ihrem Auftaktmatch stark verbessert, spielte fast eine Stunde lang auf Weltklasseniveau. Dann spürte man den enormen Druck, der auf unserer Ausnahmespielerin lastete, aber mit ihrem Kampfgeist bekam sie sich und das Match wieder in den Griff.
Haben die deutschen Sportjournalisten vergessen, dass Angie im letzten Jahr, als sie sensationell den Titel gewann, in der ersten Runde gegen eine unbekannte Japanerin einen Matchball abwehren musste?
So what.
Am Dienstag, dem zweiten Tag der Australian Open 2017, wurden wieder 7 deutsche Repräsentanten in das Gefecht geworfen.
Alexander Zverev (ATP Nr. 24) eröffnete um 11 Uhr Ortszeit den Reigen der deutschen Auftritte am zweiten Spieltag des Grand Slams. Gegen Robin Haase (ATP Nr.58) begann das „German Wunderkind“ in der Hisense-Arena stark. Mit langen und platzierten Grundschlägen jagte er den Niederländer über den Platz, sicherte sich den 1.Satz standesgemäß 6:2. Dann riss der Faden im Spiel des 20-jährigen Hamburgers – er musste den 2.Satz 3:6 abgeben. Der Niederländer erkannte seine Chance gegen den weiter nachlassen Hamburger, setzte sich 7:5 im 3.Satz durch. Im 4.Satz lag der deutlich frustrierte Zverev, dessen Service immer mehr wackelte, gleich 0:2 zurück. Als ihm die ersten guten Schläge gelangen, änderte sich seine Körpersprache, er agierte jetzt entschlossener, feuerte sich plötzlich an, konnte das Match drehen und entschied den Satz noch mit 6:3 für sich. Sascha war „noch einmal von der Schippe gesprungen“. Im entscheidenden fünften Satz spielte der 20-jährige Deutsche weiter selbstbewusst auf, breakte den Holländer zwei Mal, brachte seine eigenen Aufschlagspiele sicher durch und lag schnell 4:0 vorn. Der an Position 24 gesetzte junge Deutsche gab das Match nicht mehr aus der Hand und erreichte die zweite Runde in Melbourne nach einer Spielzeit von fast 3 Stunden mit einem 6:2 im fünften Satz. Der erste Sieg in Melbourne in der noch jungen Karriere von Alexander Zverev!
Auch Philipp Kohlschreiber musste am Vormittag gegen Nikoloz Basilashvili (ATP Nr. 94) auf Court 15 zum Schläger greifen. Der Augsburger begann stark, gewann den 1.Satz 6:4. Der Georgier trumpfte im 2.Satz 6:3 auf. Im nächsten Durchgang wurde auf Augenhöhe gekämpft, der Tiebreak musste entscheiden. Nervenstark konnte Kohli sich hier 7:4 durchsetzen. Im 4.Satz erkämpfte sich der Deutsche mit einem Break einen Vorteil, baute den Vorsprung mühevoll auf 4:2 aus. Bei 5:4 servierte er zum Matchgewinn. Souverän brachte er seinen Aufschlag durch und zog nach 2.Stunden und 30 Minuten Spielzeit mit 6:4, 3:6, 7:6 und 6:4 in die zweite Runde des Grand Slams ein.
In der Margaret Court-Arena wollte dann Dustin Brown (ATP Nr.70) gegen den an 3-gesetzten Milos Raonic das Unmögliche möglich machen. Der Deutsch-Jamaikaner und der Kanadier spielten vom ersten Ball an aggressives Tennis. Raonic verwandelte den einzigen (!) Breakball im 1.Satz und setzte sich 6:3 durch. Der Rastaman aus Niedersachsen agierte gegen den beeindruckend aufspielenden Geheimfavoriten auch im nächsten Durchgang ebenbürtig. Ein Break reichte aber Raonic, um sich den 2.Satz 6:4 zu sichern. Im 3.Satz schoss der Weltranglistendritte den deutschen Paradiesvogel ab. Mit 3:6, 4:6 und 2:6 schied Dustin Brown aus dem Turnier aus.
Mit Milos Raonic wird im weiteren Turnierverlauf zu rechnen sein.
Mit dem an 8-gesetzten Österreicher Dominic Thiem traf Jan-Lennard Struff (ATP Nr.58) in seinem Erstrundenmatch auf dem fünften Kontinent auf einen „guten alten Bekannten“. Der Warsteiner ging entschlossen und konzentriert in das Match, gewann den 1.Satz 6:4. Thiem drehte in einem ausgeglichenen Kampf auf, entschied den 2.Satz mit 6:4 und den 3.Satz mit 6:4 für sich. Der Österreicher hatte jetzt Sicherheit gewonnen und mit 3:6 im 4.Satz musste sich „Struffi“ verabschieden.
Auch Florian Mayer (ATP Nr.49) musste gegen einen Gesetzten antreten. Der Bayreuther spielte in der Rod Laver Arena gegen die spanische Tennislegende Rafael Nadal (ATP Nr.9). Der Mallorquiner hatte sich für Melbourne gut vorbereitet und einiges vorgenommen. Das bekam Flo zu spüren. Obwohl er das Match lange offen hielt, konnte er die 3:6, 4:6, 4:6-Niederlage gegen Rafa nicht verhindern.
Der 38-jährige Tommy Haas ist nach langer, mühseliger Verletzungspause in Melbourne auf die ATP-Tour in Melbourne zurück gekehrt. Vor seinem Comeback gegen Benoit Paire (ATP Nr.46) sagte der ehemalige Weltranglisten-Zweite, dass er nur froh und dankbar sei, wieder auf den großen Turnieren auftreten zu können und fügte hinzu: „Ich habe keine zu hohen Erwartungen.”Beide Spieler schlugen sehr gut auf, ihnen gelang bis zum Tiebreak jeweils ein Break. In der satzentscheidung dominierte der aggressive Franzose, gab nur 2 Punkte ab. Tommy servierte im 2.Satz schonender, verlor 4:6. Paire hatte bis dahin 22 Asse geschlagen. Zum dritten Satz trat der Hamburger nicht mehr an – sein geschundener Körper brauchte Erholung.
Als einzige unserer Damen griff Andrea Petkovic (WTA Nr.55) am Dienstag in das Turniergeschehen ein. Gegen das US-Girl Kayla Day (WTA Nr.197) galt die Darmstädterin als klarer Favorit. Petko spielte vom ersten Ball an souverän auf, setzte sich klar mit 6:3 durch. Auch im 2.Satz behielt sie gegen eine Gegnerin, der zu viele unnötige Fehler unterliefen, die Oberhand und gewann deutlich 6:2.
Mit ihrem Auftakterfolg hatte die fünfte deutsche Spielerin – nach Kerber, Görges, Barthel und Witthöft die zweite Runde der Australian Open erreicht.
Bei unseren Herren haben die Brüder Zverev und Kohlschreiber den Einzug in die Runde der letzten 64 geschafft. .