“Skandal um Charly Steeb – da würde Uli Hoeneß zu recht weinen”

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Mit Erleichterung haben wir vor Tagen von der positiven Entwicklung beim DTB berichtet. Wir hatten den Eindruck gewonnen, dass endlich einmal alle Verantwortlichen an einem Strang ziehen. Das wirkte alles so wunderschön – und neu. Aber Wunder hat das deutsche Tennis zuletzt im vergangenen Jahrhundert, in der Ära Graf, Becker und Stich, erleben dürfen. Jetzt bricht das aktuelle Geschehen den zarten Ast der kurzen Euphorie brutal entzwei: Der Bundesauschuss des DTB, in dem die 18 Landesfürsten vereint sind, hat in einer Sondersitzung am vorletzten Wochenende in Frankfurt einstimmig (Hurrah!) beschlossen, dem Präsidium den Vorschlag zu unterbreiten, sich in der Personalie des Vizepräsidenten Carl Uwe Steeb „Gedanken zu machen“. Wow! Diese Empfehlung mit dem Beigeschmack des Aktionismus wurde natürlich sofort der Presse mitgeteilt. Dann haben einige Presseorgane auch gleich gemeldet, dass die Entlassung Steebs, der auf seinem Posten für Spitzensport und Ausbildung zuständig ist, jetzt endgültig bevor steht. Nach den Erfahrungen mit der Presse in der nahen Vergangenheit, zeigt der Rat der Verbandsvorsitzenden eine besorgniserregende Schwäche des Kurzzeitgedächtnisses: Man hätte wissen können, dass die Medien, „wenn man ihnen den kleinen Finger reicht, mit Lust in die ganze Hand beißen“.

steeb

Noch eine pikante Notiz gefällig? Am Nachmittag desselben Tages saß man mit dem aus London gekommenen Präsidenten Altenburg bei der 65.Mitgliederversammlung des weltgrößten Tennisverbandes zusammen. Wäre es nicht sinnvoll gewesen, den Präsident über das Vorhaben zu informieren und ihn zu bitten, einige wenige Stunden vorher einzufliegen? Okay, diese Frage ist zu einfach für das komplexe Thema „Kooperation in der Verbandsführung“. Vielleicht hatte der ehrenamtliche Präsident auch Wichtigeres in London zu tun. Er ist Geschäftsführer Deutschland der J.P.Morgan-Bank – und man weiß ja, dass diese Finanzdienstleister seit Jahr und Tag mit einer umfassenderen Krise zu tun haben, als die kleinen Krisen, die die DTB-Führungsetage sich immer zur rechten Zeit in das eigene Haus holt.

Altenburg hat dann – wahrscheinlich aus London – verlauten lassen, dass die Entlassung Steebs noch nicht endgültig sei.

Es geht um den Posten des Vizepräsidenten des DTB, es geht um die Person Carl Uwe Steeb. Werfen wir einen Blick zurück, um uns an die Bedeutung Steebs für das deutsche Tennis zu erinnern: “Unser Charly“ (Zitat „Bild“) hatte 1988 im Finale des Davis-Cups gegen Schweden, die Nr.1 der Weltrangliste, Mats Wilander, in einem dramatischen Fünfsatzsieg bezwungen und hatte damit einen entscheidenden Anteil daran, dass Deutschland zum ersten Mal in der Geschichte des internationalen Tennissports die begehrte Trophäe gewann. Auch im darauf folgenden Jahr war „unser Charly“ im Team, das den Davis-Cup zum zweiten Mal nach Deutschland brachte. Nach Beendigung seiner Tenniskarriere war er als Kommentator beim TV tätig, agierte kurz als Turnierdirektor der German Open in Hamburg, arbeitete mit dem DTB in verschiedenen Funktionen zusammen, ist seit Ende 2011 Vizepräsident unter Herrn Altenburg geworden und hat 2013 als Turnierdirektor des traditionsreichen ATP-Turniers in München fungiert.

Mit dieser neuen Funktion beginnt das Verhängnis in der sonst so glatten Karriere des Mannes aus Aalen.

Die von Carl Uwe 2009 gegründete CharlySteeb Gmbh war für die Ausrichtung des Turniers in München 2013 verantwortlich gewesen. In dieser Tätigkeit wurde nicht an Geld gespart. Es wurde in den Umbau der Anlage, in Luxusservice für die Spieler und VIPs und in hohe Antrittsgagen investiert. In der Turnierwoche war dann alles auch eitel Sonnenschein. Die Sonne ging aber schnell unter, als Wochen danach Steeb die offenen Rechnungen erhielt. Eine Summe von mehreren hunderttausend Euro stand zu Buche. Unser ehemaliger Davis-Cup-Held schlitterte nach eigener Aussage in „die schlimmsten Tages meines Lebens.“ Er machte seinem Mitarbeiter F. Nier, der mit dem Projekt BMW Open betraut war, schwerste Vorwürfe. Da diese rechtlich nicht zu halten waren, blieb ihm nichts andres übrig, als Insolvenz seiner GmbH anzumelden. Das Verfahren läuft derzeit.

Jetzt wird vom Imageschaden aufgrund dieses wirtschaftlichen Zusammenbruchs geredet. Imageschaden für die BMW Open im ersten Schritt. Jetzt auch Imageschaden für den DTB, weil der Vizepräsident, der „Herr Steeb“ (Zitat Tennis Magazin). geschäftlich unglücklich agiert hat und damit das zweithöchste Amt in der Führungsetage des deutschen Tennis nicht mehr adäquat repräsentieren könnte.

Wir kennen nicht alle Hintergründe und Zusammenhänge in dieser Affäre. Aber wir kennen Charly Steeb – und das über mehr als 3 Jahrzehnte. In diesem Zeitraum haben wir ihn als fairen Sportsmann, als empathischen Partner kennen und schätzen gelernt. Mit diesen positiven Erfahrungen gehen wir also nicht aus objektiver Sicht an das Geschehen heran. Aber eine Frage sei erlaubt: Muss man den geschäftlichen Misserfolg einer sympathischen Persönlichkeit des weißen Sports derart in der Öffentlichkeit breittreten? Ist man unbrauchbar auf einem Posten, der im Spitzensport und in der Ausbildung für neue Qualitäten sorgen soll, weil man im wirtschaftlichen Geschäft Fehler gemacht hat? Etwaige Kritik an seiner Kompetenz und seinem Arbeitsstil als Vizepräsident sind bisher noch nicht bekannt geworden.

Bisher haben wir in allen Veröffentlichungen der letzten Wochen über „Herrn Steeb“ von keinem Verbrechen Charlys lesen oder hören können. In unserem führenden deutschen Fußballclub hat der Vorsitzende eindeutig Steuerhinterziehung begangen und wird jetzt mit stürmischem Beifall in seinem Amt als Vorsitzender des Aufsichtsrats bestätigt. Dieser Vorgang aus Bayern soll hier nicht bewertet werden. Andererseits wirft er aber folgende Frage auf:

Handelt angesichts dieser Erfahrungen die Führungsetage des deutschen Tennis angemessen?

 

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