Schweinsteiger fällt bei Bayern und in der Nationalelf wegen Verletzung aus, Murray muss aus demselben Grund das ATP-Finale vorzeitig absagen. Khediras Knieschaden bedroht seine Teilnahme an der WM, Nadal hatte deshalb mehrere Wochen auf der ATP-Tour nicht antreten können. Fußballer werden fitgespritzt, um Auflaufen zu können, bei den Top-Tennisprofis ist es eine Ausnahme, wenn einer einmal ohne Schmerzmittel auf den Court geht.
Das klingt nicht nach gesundem Sport, eher nach einer Sanitätsstation im Krieg, wo die verwundeten Soldaten behandelt werden, um so schnell wie möglich wieder an die Front geschickt werden zu können.
Der Arzt, der die Knieoperation bei Khedira – unter ständiger Beobachtung von Dr.Müller-Wohlfahrt und zwei Ärzten Real Madrids! – in Augsburg durchgeführt hat, meldet sich jetzt zu Wort. Dr. Ulrich Boenisch: „Die Zahl der Verletzungen im Fußball hat in den letzten Jahren zugenommen.“ Durch die vermehrte Belastung in nationalen und internationalen Wettbewerben fehle den Spielern Zeit zur Regeneration. Dasselbe Phänomen ist im Tennis zu finden und wirft folgende Frage auf:
Ist diese immer weiter zunehmende Häufung der Verletzungen ein Folge des erhöhten Trainingsumfangs, des körperlich immer anspruchsvolleren, zunehmend temporeicheren Wettspiels?
Im Bereich des Tennis liegen noch keine wissenschaftlich abgesicherten Antworten vor, wir können aber Hinweise liefern, die das Problem verdeutlichen:
Von den Top 5 der deutschen Jugendrangliste U14 vor knapp acht Jahren mussten 3 Talente über einen längeren Zeitraum aussetzen, weil bei ihnen starkes Wirbelgleiten festgestellt wurde. Diese Rückenschädigung kann dazu führen, dass, wenn ein verschobener Wirbel auf einen Nerv drückt, ein Bein taub und vollkommen funktionsunfähig wird.
Zur gleichen Zeit wurden die 24 besten Spieler/innen des englischen Nationalkaders im Alter von 13 -15 Jahren umfassend untersucht. Erschütterndes Ergebnis: 21 Spieler wiesen erhebliche Rückenschäden auf, die im alltäglichen Berufsleben für längere Kuraufenthalte gesorgt hätten! Keiner dieser jungen Spitzensportler hatte vorher über gravierende Schmerzen geklagt. Die ausgeprägte Muskulatur hatte noch dafür gesorgt, dass der Bewegungsapparat mühsam zusammengehalten wurde.
In England hatte das schnell eine Diskussion der Mediziner ausgelöst. Dabei wurde festgehalten, dass das moderne Tennis mit seinen erhöhten Geschwindigkeiten, mit den gesteigerten Trainingsumfängen eine gesundheitliche Gefahr für die jungen – noch nicht austrainierten – Körper der Tennistalente ist. Insbesondere wurden die enormen Kräfte, die bei den extremen Rotations- und Translationsbewegungen in dem Rückschlagspiel zur Wirkung kommen, als die wichtigste Quelle der Gesundheitsschäden identifiziert. Fachkundige und verantwortungsvolle deutsche Sportmediziner ließen jetzt verlauten, dass gerade das Zusammenspiel der Rotations – mit dem Translationsbewegungen, das bei den Tennisschlägen auf höchstem Niveau charakteristisch ist, die Hauptgefahr im Training und Wettkampf der Spitzentalente ausmacht. Der normale menschliche Körper ist auf Dauer nicht auf diese außerordentlich gewaltigen Belastungen eingestellt – geschweige denn, der sich in der Entwicklung befindliche jugendliche Körper.
Hier stellt sich die Frage nach der Verantwortung der Trainer, der Leistungszentren der Verbände, der kommerziellen Akademien und des Deutschen Tennisbundes!
Längst nimmt das Konditions- und Fitnesstraining einen großen Umfang in den Trainingskonzepten dieser Institutionen ein. Mit diesen Programmen kann man zwar die oberflächlichen Muskelschichten trainieren, man kommt damit aber nicht an die Tiefenmuskulatur heran, die gerade für Stabilität in der Region, in der die meisten Verletzungen im Tennis verursacht werden, zuständig ist. Die sogenannten Multifidi-Muskeln, die an den einzelnen Wirbeln ansetzen und jeweils drei von ihnen miteinander stabilisieren, können nur mit einer speziellen Art gymnastischer Übungen erreicht werden.
Wenn man mit voller Verantwortung junge Tennistalente im Leistungssport unterrichtet, sollte diese physiotherapeutische Maßnahme unbedingt in den Tagesablauf integriert werden.
Wir sollten schon – nein, gerade! -bei den jüngsten Tennisschülern diese spezifischen Übungen von Anfang an in das Trainingsprogramm aufnehmen. Damit stärken wir die Muskulatur, die die späteren Schäden verhindert!
Dr. Uwe Boenisch fordert im Fußball diese präventiven Maßnahmen, um die zukünftige Verletzungsgefahr einzudämmen. Verletzungen, die, anders als im speziellen Fall Khedira, nicht durch Fremdeinwirkung entstehen, könnten dadurch verhindert werden.
Im Tennis ist die Hauptursache für Langzeitschäden längst identifiziert. Das deutsche Tennis kann jetzt vorangehen, indem in der täglichen Praxis die präventiven Maßnahmen gegen schwere zukünftige Rückenschäden in den Unterricht fest eingebunden werden.
Die Kinder werden es uns später danken.
Der erste Schritt ist in der deutschen Tennisausbildung längst getan: in den sogenannten Stabilisationsübungen oder durch die Einbeziehung des Flexi-Bars in das Training wird dem Problem generell schon Rechnung getragen. Es müsste doch leicht sein, die oben genannten spezifischen Übungen auch in das Training zu integrieren.
P.S.
Im Rahmen dieses Posts können wir die spezifischen präventiven Gymnastikübungen leider nicht ausführlich beschreiben. Im Internet kann man aber Hinweise dafür unter „Multifidus-Übungen“ erhalten. Für jeden gut ausgebildeten Physiotherapeuten in ihrer Nachbarschaft gehören diese Programme zum Standard.