Die Soziologen und Journalisten sind sich einig: Die junge Frau ist im Augenblick das Leitbild unserer Gesellschaft. Damit geben sich die engagierten modernen Frauen aber nicht zufrieden. Iris Radisch beklagt, dass die Rollenbilder für Frauen „immer noch unfassbar altbacken“ sind und ihnen nur die Klischees „Mutti oder Mädel“ (Merkel oder Lisicki) zugeschrieben werden. Nina Pauer stellt fest, dass das „Medienbild der jungen Frau nicht für Weiblichkeit, sondern für Jugend“ steht.
Da könnte leicht das männliche Vorurteil bestätigt werden, dass man es den Frauen nicht recht machen kann. Dabei versteht sich das Blogger-Duo nicht als „Brüder im Geiste Brüderles“. Wir hatten selbstkritisch erkannt, dass in unserem Tennis-Blog doch überwiegend von dem „ehemals starken Geschlecht“ die Rede ist. Das haben die jungen Frauen im Tennis nicht verdient. Deshalb wollten wir das ändern. Da passte die aktuelle Klage Martina Navratilovas, „das immer noch Sexismus im Tennis vorherrscht“ in unser Konzept. Zur Erinnerung: Die Tschechin ist die historische Anführerin der Frauenemanzipation im Tennis und sie hat auch dadurch Stärke bewiesen, dass sie unter anderem 9 Mal in Wimbledon gesiegt hatte. Zur Einordnung: Martina ist – selbst in jungen Jahren – nie in die Rolle des „Mädels“ geschlüpft. Von Anfang an hat sie aus ihrer lesbischen Einstellung keinen Hehl gemacht, obwohl die WTA immer wieder versucht hat, sie in diesem Bekenntnis zu zügeln. Da hat sie sich mutig zur Wehr gesetzt. Sie hat auch niemals nach der Rolle der „Mutti“ gestrebt (das kann mit ihrer oben aufgeführten sexuellen Haltung zusammenhängen), eher hat sie sich als Anwalt der Gleichberechtigung im Tennis verstanden.
Die heute 57-jährige Tschechin – vor 7 Jahren hatte sie noch einen Grand Slam-Titel im Mixed gewonnen! – hat bei dem Thema „Rolle der Frau im Sport“ keinesfalls ihren Standpunkt geändert: In ihren Aussagen vor wenigen Tagen auf „BT Sport“ beklagt sie gleich die „Doppelmoral“, die immer noch im Tennis herrscht. „Es ist immer noch schwer für manche Männer, starke Frauen zu akzeptieren. Es ist für Roger Federer viel leichter, von jedem geliebt zu werden, als für Serena Williams, von jedem geliebt zu werden. Einfach nur wegen der Tatsache, dass er ein Kerl ist.“
Nein, Martina: so einfach ist das nicht. Roger hat zu Recht, durch sein Auftreten in den letzten zehn Jahren, sich den Ruf eines „Gentlemans“ erworben – und eben nicht eines „Kerls“! Wenn Serena zu häufig die Balljungen und Ballmädchen anpöbelt, bei vermeintlichen Fehlentscheidungen der Schiedsrichter und Linienrichter wie eine Furie auf sie losstürmt, dann darf man sich nicht wundern, dass sie dafür nicht geliebt oder nicht als „Grand Dame“ des weißen Sports bezeichnet wird.
Dann spekuliert Frau Navratilova: „Ich weiß nicht, wie sehr es mit Serena selbst zu tun hat. Es könnte auch mit der Tatsache(!?) zusammenhängen, dass sie Afro-Amerikanerin ist.“ Nach der Macho-Keule holt unsere Frauenrechtlerin jetzt den Rassismus- Knüppel heraus. Auf diese Idee sind wir erst durch Martinas Hinweise gekommen – aber wenn wir für alle Männer sprechen dürften, könnten wir reinen Gewissens behaupten, dass dieser Aspekt in unserer Beurteilung der begnadeten Tennisspielerin Serena nie eine Rolle gespielt hat. Wir sind allerdings auch nicht in den erzkonservativen Winkeln der Südstaaten der USA groß geworden.
Zu allerletzt zieht die achtzehnfache(!) Grand Slam-Siegerin im Einzel einen verheerenden persönlichen Vergleich: Als die in die USA emigrierte Tschechin im Jahr 2000 nach einer längeren Unterbrechung ihr Comeback auf der WTA-Tour startete, sei sie keinesfalls so überwältigend freundlich aufgenommen worden, wie Michael Jordan, der zu dieser Zeit ebenfalls ein Comeback in der besten Basketball-Liga der Welt unternommen hatte. „Als er wieder spielte, hieß es, er ist unglaublich, er ist der beste aller Zeiten. Als ich zurückkam und einige Matches gewonnen hatte, hieß es, es gäbe keine Dichte im internationalen Damentennis.“
Bei aller Wertschätzung der herausragenden sportlichen Leistungen Navratilovas in der Vergangenheit – diese „allerletzte“ Aussage grenzt an Selbstüberschätzung oder Paranoia. Basketball hat in den USA noch einen weitaus höheren Stellenwert als Tennis und über die Rückkehr Jordans in die NBA wurde auch deshalb von den Medien so extrem positiv geschrieben, weil es vorher einige Skandale gegeben hatte, die das strahlende Bild des Lieblingssports der Amerikaner etwas verblassen ließ. (Jeder weiß: wenn das Image schlechter wird, fließt weniger Geld in das Geschäft. An dem „Hype“ um Basketball in den USA sind extrem viele Menschen beteiligt. Von diesem existentiellen Interesse hätte auch Martina bei ihrer Einschätzung wissen müssen – sie hält sich jetzt seit mehreren Jahrzehnten in Nordamerika auf.)
Martina Navratilova hat mit ihren Argumenten der Wertschätzung der jungen Frauen im modernen Tennis einen „Bärendienst“ erwiesen. Das tut uns leid. Deshalb haben wir uns vorgenommen, in Zukunft häufiger einen Blick auf die Welt des Damentennis zu werfen. Die Frauenquote wird zukünftig in unserem Blog besser und mit viel Sympathie berücksichtigt werden. Das fällt uns nicht schwer. Das deutsche Damentennis ist gegenwärtig in der Spitze eh leistungsstärker als das Herrentennis.
P.S.
Wir sind mit Martina Navratilovas aktuellem Auftritt sehr kritisch umgegangen – wer dahinter unsere sexistische Einstellung vermutet, liegt falsch. Ihre Argumente sind –egal ob aus weiblichen oder männlichem Mund – einfach nicht treffend.
Hatten wir mit unseren Posts über Serena Williams (sportliche Leistungen) und Sabine Lisicki (vorzügliches Auftreten auf dem Platz) nicht unsere emotionale und rationale Begeisterung schon deutlich auch in der Vergangenheit geäußert?
Um die wahre Stärke Navratilovas zu zeigen, haben wir einen nostalgischen Blick in die Zeit geworfen, als Tennis noch mit echtem Holz gespielt wurde: