Wie man zum Fels in der Brandung wird
Wir hatten die Merkmale der Resilienz – Offenheit für Veränderungen, Frustrationstoleranz, Zuversicht, Wege aus der Krise finden, lösungsorientiertes Verhalten, Humor und vertrauensvolle Beziehungen zu anderen Menschen – in ihrer jeweiligen situativen Bedeutung im Tennis im letzten Post dargestellt. In zahlreichen Untersuchungen wurde festgestellt, dass die erfolgreiche Widerstandskraft nicht unbedingt alle diese Faktoren zusammen benötigt. Deutlich wurde nur eines: das Zusammenwirken der verschiedenen Einstellungen führt zum Gelingen – da kann eine einzelne Eigenschaft ruhig etwas weniger ausgeprägt sein. Andererseits reicht eine einzelne, noch so stark ausgeprägte, Eigenschaft allein nicht aus, um dauerhaft resilient zu sein.
Deshalb ist es von Vorteil, im Tennistraining, das Resilienz fördern will, das Ensemble der Resilienzmerkmale in den jeweiligen Bewegungsaufgaben heraus zu fordern.
Die zweite Voraussetzung für das Lernen von Resilienz im Tennistraining hängt mit der Aufgabenstellung zusammen. Die Aufgaben müssen so gestellt werden, dass die Spieler nicht einer festgelegten technischen Form entsprechend trainieren sollen, sondern dass ihnen inhaltliche Ziele gegeben werden. (z. B. eine bestimmte Anzahl von Bällen – in einen bestimmten Zielraum – in einer vorgegebenen Zeit). Damit wird den Trainierenden von vornherein Raum für eigenständige Experimente gegeben. Nur so können individuelle Lösungen herausgefordert werden; nur so kann sich Selbstbewusstsein entwickeln. Jeder eigene Schlag, der erfolgreich gespielt wurde, zeigt dem Spieler an, welches Potential in ihm steckt. Jede weitere erfolgreiche Lösung lässt seine Zuversicht, Probleme selbständig lösen zu können, wachsen. Selbstbestimmt statt fremdbestimmt ist das Motto dieser Trainingsmethoden!
Diese sogenannten Bewegungsaufgaben, die sich stark vom standardisierten Techniktraining unterscheiden, können dadurch variiert werden, dass man unterschiedliche Bälle benutzt, dass man die Bälle stufenweise schwieriger anspielt, dass man die Zielräume verändert. Dadurch wird zusätzlich Offenheit gefördert – Anpassungen an Veränderungen eingeübt.
Wenn man die Aufgabenstellung von Stufe zu Stufe erschwert, bis in einen Bereich hinein, der die aktuellen Fähigkeiten sogar ein wenig überschreitet, wird der individuelle Umgang mit Frustrationen herausgefordert. Auch wenn es quälend wird, sollten die Aufgaben nicht abgebrochen werden, bevor die vorher definierten Minimalziele nicht erreicht wurden. Dadurch entwickelt sich Geduld und Durchhaltevermögen – zwei Eigenschaften, die mit Frustrationstoleranz eng verbunden sind.
Der Trainer spielt in diesen Aufgaben nicht die Rolle des Instrukteurs, sondern des Motivators. Er wirkt wie ein Coach, der herausragende individuelle Leistungen lobt, der bei Nachlassen aufmuntert, der deutlich macht, dass man aus Fehlern nur lernen kann. Außerdem fordert er die Teilnehmer im Gruppentraining dazu auf, sich gegenseitig mit Ratschlägen zu unterstützen. Dieses Verhalten sorgt für die – für Resilienz so wichtige – vertrauensvolle Bindung. Idealer Weise ist der Trainer zugleich mitfühlender Förderer und Fordernder, der die Akteure klar in ihren individuellen Leistungsvermögen erkennt und unterscheidet. Wenn gegenseitiges Vertrauen herrscht, kann er auch Leistungen herausfordern, die den subjektiv gefühlten momentanen Fähigkeitsstand der Lernenden sogar ein wenig überschreiten. Damit appelliert er an den Mut seiner Schüler, der meist erforderlich ist, wenn man Wege aus Krisen finden muss.
Kommen wir zum Humor, der eine wichtige Rolle bei Resilienz spielt. Humor ist die Gabe eines Menschen, die Unzulänglichkeiten der Welt und der Menschen, den Schwierigkeiten und Missgeschicken des Alltags mit heiterer Gelassenheit zu begegnen. Aus dieser Definition wird deutlich der Zusammenhang mit der Widerstandskraft ersichtlich: Menschen mit Humor nehmen Widrigkeiten gelassen hin, sie jammern nicht über Probleme, sondern akzeptieren sie lächelnd. Das ist die beste Voraussetzung, Probleme mit konstruktiven Experimenten zu lösen. Wer Humor hat, verzweifelt nicht an eigenen Fehlern, sonder kann aus ihnen lernen. Aufgabe des Trainers ist es, diese gelassene Haltung zu fördern, indem er bei den Aufgaben die Lernenden auch zu außergewöhnlichen individuellen Experimenten motiviert. Selbst das Scheitern bei diesen Experimenten fordert das Lachen bei Akteur und Mitspieler heraus, weil es keine festgelegte Form nachzuahmen gilt und weil gerade die misslungenen Experimente für lustige Situationen sorgen.
Bei dem Thema Humor können wir den Unterschied zwischen Resilienztraining und herkömmlichen Tennisunterricht verdeutlichen: Um die Schüler bei Laune zu halten, spielt Spaß im Unterricht eine große Rolle. Da darf ruhig einmal herumgealbert werden. Im Resilienztraining hat der Spaß eine klare Funktion: er entsteht aus der Aufgabe, er trägt zum Mut bei, ungewöhnliche Ausführungen zu wagen und er sorgt für Bindung in der Gruppe. Spieler/innen, die von sich Leistungen erwarten, haben am meisten Freude, wenn sie erfolgreich sind. Das zeigen ihre fröhlichen Gesichter nach erfolgreichen Lösungen. Der Spaß dient hier nicht nur der Unterhaltung, sondern ist der Lohn für außergewöhnliche Leistungen.
Diese Argumentation stellt klar, dass Resilienztraining am wirksamsten bei Schülern ist, die einerseits motiviert sind, besondere Leistungen zu erbringen, die anderseits auch über das Rüstzeug im Tennis verfügen, um diese Herausforderungen erfolgversprechend zu realisieren.
Im Tennistraining kann deshalb hauptsächlich im Leistungsbereich Resilienztraining dazu beitragen, Wettkampf – und Siegermentalität zu fördern, unermüdlichen Kampfgeist zu entwickeln.
In abgewandelter Form könnte aber auch ein Tennisunterricht im Breitensportbereich, der mit verschiedenen – oben angedeuteten – Methoden Resilienz zum konkreten Ziel der einzelnen Unterrichtseinheiten macht, einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten.